Schon in der Kälte des Februars 1934 spielte die größte Gemeindebauanlage Wiens – der Sandleitenhof in Ottakring, welcher nie einem Hof, sondern eher einer Kleinstadt entsprach – eine Rolle im antifaschistischen Kampf für Freiheit und Demokratie.
Die Namen der Orte und Straßen – wie Matteottiplatz, Liebknechtgasse und Rosa-Luxemburg-Gasse – müssen eine große Kraftquelle für die GenossInnen der „Sandigen Leiten“ geworden sein, um im entscheidenden Kampf um die Befreiung von Wien im April 1945 kriegswichtige Tatsachen zu schaffen. Nachdem der militärische Widerstand unter Führung von Major Carl Szokoll (Plan Radetzky) verraten wurde, was zu den bekannten Hinrichtungen am Floridsdorfer Spitz führte, war die kampflose
Übergabe Wiens an die Rote Armee nicht mehr möglich. Daher kam den Ereignissen im Westen Wiens besondere Bedeutung zu.
Das IX.Gd.mech.Korps der Roten Armee konnte dank der Entwaffnung der Volkssturm- und Wehrmachteinheiten in Hernals/Ottakring (-> Alszeile/Sandleiten)
kampflos mit Unterstützung der Widerstandsgruppen bis zum Gürtel und anschließend zum Franz-Josefs-Bahnhof durchstoßen. Damit war der Kampf der II.SS-Panzerdivision im Raum Schönbrunn/Westbahnhof sinnlos und führte zum Rückzug an die Donaukanallinie. Der Kampf um Wien konnte auf acht Tage reduziert werden.
Diese Ereignisse finden sich im Roman von Rudi Burda, Jahrgang 1951, aufgewachsen im Zentrum des Geschehens, im nahe gelegenen „Paprikakistl“ (= Wiedenhoferhof),
eingebettet in den geschichtsträchtigen Bogen der Jahre 1933-1945/59. Die Erinnerungen seiner Eltern und vieler GenossInnen aus dem antifaschistischen Widerstand rund um die Sandleiten, werden verknüpft mit fiktiven Erzählungen. So ergibt sich ein sehr berührendes Bild vom Leben und Kampf der Menschen mit gelebter Solidarität unter schwierigsten Bedingungen. Untertitelt werden die Geschichtsabschnitte oft mit ausgezeichneten Texten von Erich Fried, Jura Soyfer, Theodor Kramer, Bert Brecht u.a.
Der 12. Februar 1934 mit seinen Folgen kommt eindrucksvoll im Titel [1934]/S. 33-35 vor. „Hanni wird von ihrem Vater am 13. Februar überraschend von der Schule abgeholt – im Gepäck ‚2 Krachen‘, welche im Ottakringer Friedhof in einem offenen Grab, begraben werden. Der Vater, der sich in der Folge betrinkt, wird im ehemaligen
Schutzbundlokal gefunden. Aufgehängt am Fensterkreuz.“ Die Gründung und der Neuaufbau einer Widerstandsbewegung führen im Laufe des Zweiten Weltkriegs zu spektakulären Erfolgen. „Hanni schreibt Fritz eine Karte: ‚Wir müssen heiraten, kümmere dich um Fronturlaub“ (= ein politischer Auftrag von Leo/Komintern;
Hochzeit in Wien und Leos Auftrag: Fritz muss zur Roten Armee überlaufen und wichtige Infos an das ZK d. KPÖ in Moskau überbringen.“
Authentizität erlangt die Erzählung dadurch, dass Hanni und Fritz in Wirklichkeit Rudi Burdas Eltern waren! Auch Sabotage-Aktionen werden bei den Optischen Werken Carl Reichert organisiert und erfolgreich ausgeführt. „1946 kommt es zu einem Wiedersehen des Pfarrers von Hernals mit überlebenden Protagonisten, bei der anlässlich der Übergabe einer verwahrten Geige, gemeinsam mit Gottes Segen gesungen wird: Vorwärts, und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht,…Halleluja und Amen“
(S. 84-86). Tun und Handeln der GenossInnen im Wien der Jahre 1946-1959, veranschaulicht auch in eindrucksvoller Weise die politische Entwicklung der 2. Republik.
Rudi Burda: Sandige Leiten, rote Saat.
Theodor Kramer Gesellschaft, Wien, 2020,
ISBN: 978-3-901602-91-7, 120
Seiten, € 15,00
Ein Bericht von Gerhard Taschler in der Zeitschrift „Der Sozialdemokratische Kämpfer“
