Eine auf vier Bände ausgelegte Reihe „Europa in Mauthausen“ stellt erstmals umfassend die Geschichte der Überlebenden eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers samt seinen vielen Außenlagern dar. Diese beruht auf einer einmaligen Sammlung von über 850 lebensgeschichtlichen Interviews mit Überlebenden, die ab 2002 im Rahmen des „Mauthausen Survivors Documentation geführt wurden.Band 1 präsentiert einen Überblick über den Lagerkomplex und die Mauthausen-Forschung und stellt die Methoden vor. Die weiteren Beiträge zeigen die „Funktion“ der Lager in den Besatzungs- und Verfolgungspolitiken des NS-Regimes (im „Reich“, in den besetzten und in den kollaborierenden Ländern). Die KZ dienten der
Isolierung, Internierung, Bestrafung, Bekämpfung, Ermordung und Ausbeutung von Nazi-Gegnern bzw. der Einschüchterung der Bevölkerung.
Die Interviews mit den Überlebenden (96 Frauen, 763 Männer aus 17 Ländern) wurden in 16 verschiedenen Sprachen geführt und sind in ihrer Zusammenstellung repräsentativ für die „Häftlingsgesellschaft“ von Mauthausen und seinen vierzig
Außenlagern. Von den etwa 100.000 Überlebenden war 2002 nur noch ein Bruchteil am Leben, 1945 waren diese Menschen zumeist sehr jung. Mehr als die Hälfte der Interviewten stammten aus Polen und der Sowjetunion. Nur etwa 1 Prozent
kam aus Österreich, diese Häftlinge trugen überwiegend den schwarzen oder den grünen Winkel.
In den ersten Jahren ab 1933 wurden politische Gegner, später „Kriminelle“, sog. „Asoziale“ sowie ab dem Novemberpogrom Juden in die KZ gebracht. Mit Ausbruch des Krieges und der Invasion in die verschiedenen Länder wurden Menschen aus diesen eingesperrt. Ab der Kriegsmitte 1942 wurden die KZ als Arbeitskräftelieferant immer wichtiger für die Rüstungswirtschaft. Sowohl in den Zwangsarbeitslagern wie in den KZ etablierten die Nazis eine rassistische Hierarchie: Deutsche, Niederländer, Dänen und Norweger ganz oben, Franzosen, Belgier, Ungarn, Rumänen, Slowenen,
Griechen, Serben, Kroaten und Tschechen in der Mitte, ganz unten Italienische Militärinternierte (ab September 1943), Polen, Sowjetbürger und Juden.
Es ist hier nicht der Platz auf alle Statistiken und Aussagen einzugehen, die Beiträge gehen in die Tiefe und bringen selbst ExpertInnen neue Erkenntnisse.
Gerhard Botz, Alexander Prenninger, Regina Fritz und Heinrich Berger:
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansions- und Verfolgungspolitik.
Böhlau Verlag, Wien, 2021, ISBN 978-3-205-20784-9, 420 Seiten, € 48,00
