Die erste, authentische Antwort auf diese Frage gab Rosa Jochmann selbst: in einem Gespräch, das Franz Richard Reiter mit ihr für eine Radiosendung im ORF geführt hat. Ein Lesetipp.
Rosa Jochmann verbrachte angesichts des Gesprächs die letzte Nacht schlaflos, von Chimären gequält. Dem entsprechend emotional waren ihre Aussagen. Übrigens zweifelte sie an, dass Franz Richard Reiter sie in der Radiosendung unverfälscht zu Wort kommen lassen würde. Nachdem sie die Sendung gehört hatte, schrieb sie dem Journalisten einen bewegten Brief, in dem sie erleichtert feststellte, dass er alles richtig
gebracht hatte, und entschuldigte sich für ihr Misstrauen.
Die Zwischentitel des autobiographischen Essays sind Indikatoren für das, was einen erwartet: „Meine weinende Mutter, die nicht wusste, wie sie den Zins zahlen soll“; „Bitte, ich möchte arbeiten“; „Ich kann kein Unrecht sehen, ich kann aber auch kein Unrecht erleiden“; „Die Nacht über Österreich“; „Die Stunde der Verzweiflung, die Stunde der Erlösung“; „Soscha, ein junges polnisches Mädchen von 17 Jahren“; „Einen Massenmörder, den bitte ich ja um nichts“; „So viel erreicht“; „…dass sich die Dinge zum Guten wenden“.
Im letzten Kapitel sagt Rosa Jochmann u. a.: „Ich begegnete Bruno Kreisky zufällig, gleich nachdem er aus der Gestapohaft entlassen worden war. Ich kann nicht wiedergeben, wie schrecklich er damals ausgesehen hat. Das Glücksgefühl, als ich von der Galerie aus Dr. Kreisky als Bundeskanzler im Parlament sah, kann ich überhaupt nicht beschreiben. Im selben Moment, als ich ihn als Bundeskanzler sah, sah ich ihn, wie er aus dem Gestapokeller gekommen war. Das ist auch wieder ein Beweis dafür, dass man niemals den Mut verlieren soll. Wenn man es kann, leider kann es ja nicht jeder, muss man immer die Hoffnung und das Vertrauen und den Glauben in sich haben, dass sich die Dinge zum Guten wenden können. Und die haben sich gewendet.“
Rund vierzig Autoren legen Zeugnis ab, berichten und analysieren. Das 1997 erschienene und noch heute lieferbare Buch ist die ideale Ergänzung zu Veronika Duma: „Rosa Jochmann – politische Akteurin und Zeitzeugin“ (siehe „Kämpfer“ 3/2019) und Rainer Mayerhofer: „Doch die Menschen liebe ich über alles – Rosa Jochmann. Eine Biographie in Briefen“ (3/2020).
Franz Richard Reiter
Franz Richard Reiter: Wer war Rosa Jochmann?
Ephelant Verlag, Wien, 1997, ISBN 978-3-9007-6611-5, 208 Seiten, € 22,00
9. August 2021: Wer war Rosa Jochmann?
