Gerade in diesen Zeiten müssen wir das Ableben des letzten Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Michail Sergejewitsch Gorbatschow hinnehmen.
SPÖ-Bundesbildungs-Vorsitzender Prof. Dr. Gerhard Schmid fasst zum Ableben des großen Staatsmannes zusammen: „Michail Sergejewitsch Gorbatschow war prägende Gestalt der Weltpolitik des 20. Jahrhunderts, sicher auch eine Person im Widerspruch. Er steht für die Neuordnung der Welt, die deutsche Einigung, folgedessen eine vertiefte Integration in Europa. Er hat Licht in die sowjetischen Strukturen gelassen, sein Ziel war sicher ein anderes, aber sein Weg hat die Welt verändert. Michail Sergejewitsch Gorbatschow ist eine der ganz großen Persönlichen der Geschichte geworden und das zu Recht, er war ein großer Freund Österreichs und Wiens und hat auch den Dialog mit der Sozialdemokratie gesucht sowie zu einer Versöhnung zwischen Politik und Religion beigetragen.“
Als Wegbereiter war Michail Sergejewitsch Gorbatschow, Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) in der Zeit von März 1985 bis August 1991, eine zentrale Figur. Von März 1990 bis Dezember 1991 war er Staatspräsident der Sowjetunion.
Mit seinem Wirken in der sowjetischen Politik verbunden werden die Begriffe „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Umbau). In Abrüstungsverhandlungen mit den USA leitete er das Ende des Kalten Krieges ein. Für sein Wirken erhielt Michail Sergejewitsch Gorbatschow 1990 den Friedensnobelpreis.
Die politische und demokratische Öffnung des Ostens ging auf seine Initiative und Politik zurück. Er zählt damit auch als Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung. Er hat rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und die notwendigen Prozesse eingeleitet.
Michail Sergejewitsch Gorbatschow: „Es gibt keine einfachen Lösungen für sehr komplizierte Probleme. Man muss den Faden geduldig entwirren, damit er nicht reißt.“
Der weltweit geschätzte Politiker galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges. Er wird in Moskau neben seiner Frau Raissa auf dem Neujungfrauenfriedhof für Prominente beerdigt.
Am 2. März 1931 in einer bäuerlichen Familie im südrussischen Stawropol geboren, begann Gorbatschow seine politische Karriere als kommunistischer Apparatschik. Auf eine Karriere als Parteifunktionär in seiner Heimatregion folgte der Sprung nach Moskau. In den 1970er Jahren trat er ins Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ein, als Schützling von KGB-Chef Juri Andropow wurde er 1985 zur neuen Nummer eins in der Sowjetunion.
Neue Signale aus Moskau
Im Vergleich zu den Hardlinern im Politbüro galt Gorbatschow schnell als Reformer. Auch im Ausland sahen viele in dem neuen Mann an der Spitze der UdSSR einen erfrischenden Gesprächspartner. „Er ist von seiner Art relativ offen und intelligent. Er ist umgänglich und hat einigen Charme und Humor“, schrieb die konservative britische Premierministerin Margaret Thatcher vier Monate vor Gorbatschows Ernennung zum Generalsekretär des Politbüros an den damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan.
Friedensnobelpreis 1990
So hatte die Sowjetunion in den 1980er Jahren unter Gorbatschows Führung mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen.
In seiner Heimat hatte Gorbatschow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess eingeleitet. Das brachte den Menschen in dem totalitären System bis dahin nie da gewesene Freiheiten.
1990 erhielt Gorbatschow für seine mutigen Reformen den Friedensnobelpreis. Eigentlich wollte der damalige Kreml-Chef mit seinen Reformen noch den Kommunismus modernisieren – am Ende leitete er selbst den Zerfall der Supermacht Sowjetunion ein, das Aus des kommunistischen Machtimperiums. Den Untergang der Sowjetunion sollte Gorbatschow später in seiner Autobiographie bedauern – ebenso wie den gescheiterten Umbau der Kommunistischen Partei zu einer demokratischen. „Ich bedauere noch immer, dass es mir nicht gelungen ist, das Boot, an dessen Steuer ich stand, in einen guten Hafen zu fahren.“
Enttäuschte Hoffnungen in Russland
Ein Großteil der russischen Bevölkerung sah den früheren Partei- und Staatschef stets als Totengräber der Sowjetunion – und als einen Politiker ohne Machtinstinkt. Anders als im Westen standen bei der politischen Bewertung Gorbatschows in Russland nicht dessen Abrüstungspolitik und ehrgeizige Reformansätze im Vordergrund – sondern deren Scheitern. Zunächst ließ die Politik von Glasnost und Perestroika Millionen Menschen in der Sowjetunion in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auf ein besseres Leben hoffen – das sich aber meist nicht erfüllte.
Über das Land brach ungezügelter Kapitalismus und die zahlreiche Privatisierungen herein, von denen vor allem einige Oligarchen profitierten. Auch Gorbatschow selbst machte aus seinen Versäumnissen keinen Hehl. „Natürlich bedauere ich manches. Es wurden Fehler gemacht, und wir haben es nicht geschafft, die Perestroika erfolgreich zu beenden“, sagte er rückblickend über sein Kernprojekt.
Bild: Michael Schilling, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Michail-Gorbatschow.jpg#/media/Datei:Michail-Gorbatschow.jpg