25. Juli 2022: ÖsterreicherInnen in der Résistance

Dr. Hans Schafranek gestaltete die Ausstellung „Frauen in der Résistance“, die in der VHS Hietzing gezeigt wurde. Sehr oft wird der Eindruck erweckt, als hätten hier nur Französinnen und Franzosen gekämpft. Ein Blick in die Archive zeigt jedoch sehr rasch, dass der Widerstand auch in Frankreich transnational war. Eine der wichtigsten Gruppen waren die aus dem Spanischen Bürgerkrieg nach Frankreich geflohenen Freiwilligen. Aktiv waren italienische Exilanten ebenso wie auch osteuropäische Immigranten jüdischer Herkunft. Dass auch hunderte ÖsterreicherInnen im französischen Widerstand tätig waren, wurde bislang nicht so gewürdigt, wie dies im Sinne der historischen Wahrheit notwendig wäre.

In einem neuen Forschungsprojekt will Dr. Schafranek daher den österreichischen Beitrag am Widerstand in Frankreich umfassend dokumentieren. Ein erstes Zwischenergebnis zeigt zwei Besonderheiten: So ist der weibliche Anteil mit schätzungsweise 25 Prozent signifikant höher als in Österreich (10 bis 15 Prozent). In noch weitaus höherem Maße waren ÖsterreicherInnen mit jüdischen Wurzeln an der Résistance beteiligt. Wahrscheinlich betrug ihr Anteil mindestens 70 Prozent.

Wichtig ist es, die verschiedenen Formen des Widerstandes zu benennen: Es betrifft den Kampf in kleinen militärischen Gruppen ebenso wie Sabotage aber auch den „Rettungswiderstand“ für bedrohte Jüdinnen und Juden. Flugblätter wurden gestreut. Besonders gefährlich war die sogenannte „Mädelarbeit“ bei der junge Mädchen und Frauen (fast ausnahmslos Jüdinnen) an einzelne Wehrmachtssoldaten herantraten, um deren politische Einstellung zu sondieren und sie gegebenenfalls mit illegalem Material zu versorgen.

Der Widerstand war zumeist kommunistisch dominiert. Als wichtigstes Sammelbecken des Widerstandes von Immigranten und Flüchtlingen aus ganz Europa fungierte die in 17 Sprachgruppen gegliederte MOI (Main d´Oeuvre Immigré). Der deutschsprachige Teil der MOI trat unter der Bezeichnung Travail Allemand (TA) auf. Eine Auswertung der Materialien in verschiedenen Archiven zeigt, dass bei der Travail Allemand (TA) der österreichische Anteil bedeutender war als der deutsche. In der Nachkriegsgeschichte auch in der der DDR wurde diese Tatsache immer verschwiegen.

Dies richtigzustellen, ist Dr. Alfred Schafranek angetreten: Gemeinsam mit der VHS Hietzing hat der Historiker eine Ausstellung über den österreichischen Anteil an der Résistance zusammengestellt. Anhand von 18 Lebensgeschichten (12 Männer und 6 Frauen) werden die vielfältigen Aktivitäten des Widerstandes gezeigt. Die Bandbreite reicht von Melanie Berger, die am 15.10.1943 in einer spektakulären Aktion aus dem Gefängnis befreit wurde, über Lolly Eckhard, die jüdische Flüchtlinge mit Lebensmittelkarten, Papieren und Kleidung versorgte, bis hin zu Franz Marek, der im Leitungsgremium der „Travail Allemand“ saß und nach seiner Verhaftung aus dem Militärgefängnis Fresnes befreit werden konnte.

Von den Nazis ermordet wurden unter anderem Oskar Grossmann, der unter anderem auch leitender Redakteur der Untergrundzeitung „Soldat am Mittelmeer“ war und auch der Schriftsteller Otto Heller, der sich sogar als Dolmetscher bei einer deutschen Wehrmachtsdienststelle „einbauen“ ließ. Die Ausstellung dokumentierte auch den Lebensweg eines der wenigen Sozialisten, die in der Résistance tätig waren. Karl Hartl, nach 1934 in der Gruppe „Funke“ und später bei den Revolutionären Sozialisten war in der Emigration kurze Zeit bei der spanischen Botschaft als Rechtskonsulent tätig. Er war Leiter des „Organisationskomitees der österreichischen Sozialdemokraten“ und arbeitete beim französischen Rundfunk und beim „Österreichischen Freiheitssender“ in Fécamp mit. Nach der Befreiung 1945 war Hartl im diplomatischen Dienst. Er war von 1950 bis 1955 als Generalkonsul der erste österreichische Vertreter in Israel und von 1955 bis 1958 in Wien Kabinettschef des Staatssekretärs Bruno Kreisky im Außenministerium, später Botschafter in der Türkei und Jugoslawien und zuletzt Leiter der Kulturabteilung im Außenministerium.

Die Ausstellung war bis Ende September 2021 in der VHS Hietzing zu besichtigen und wird im Anschluss auch in anderen Volkshochschulen gezeigt werden.


Robert Streibel

Gekürzte Fassung aus Kämpfer

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