17. Juli 2024: 100 Jahre Reichsbanner

Am 22. Februar 1924 wurde im mitteldeutschen Magdeburg Geschichte geschrieben. Deutschland stand noch unter dem Eindruck der Hyperinflation und der schweren politischen Unruhen des Jahres 1923 mit faschistischen und kommunistischen Umsturzversuchen und Aufständen. Die Weimarer Republik, als erste Demokratie auf deutschem Boden, war gefährdet. Deshalb gründeten Sozialdemokraten, Mitglieder der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der katholischen Zentrumspartei einen politischen Wehrverband zum Schutz der demokratischen Republik, das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, als Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer.

1930 mit dem zunehmenden SA-Straßenterror gab es eine Neubestimmung der Aufgaben. Aus dem Kreis der jüngeren Mitglieder wurden „Schutzformationen“ (Schufo) aufgestellt. Den Schufos gehörten im Frühjahr 1931 bereits 250.000 Mann an, die in viele gewalttätige Auseinandersetzung mit der SA verwickelt wurden. Es wurden Einsatz-, Alarm- und Organisationspläne entwickelt, wie die Schufos in kürzester Zeit mobilisiert werden konnten. Paramilitärische Übungen bereiteten die Mitglieder auf körperliche Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner vor. Alleine sah man sich jedoch nicht als stark genug für die Auseinandersetzung mit den „Feinden der Republik“ an. Ausgehend von einem Vorschlag der SPD bildete am 16. Dezember 1931 daraufhin das Reichsbanner mit dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB), der SPD und dem Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) ein Abwehrbündnis gegen Gefahren für die Republik, das sich „Eiserne Front“ nannte. Dieses Bündnis war faktisch eine SPD-ausgerichtete Organisation. Links vom Reichsbanner stand der Rote Frontkämpferbund der KPD, rechts standen Stahlhelm und SA. 1933 wurde das Reichsbanner, dem bis zu eine Millionen Mitglieder angehörten, von den Nazis verboten. Seine Mitglieder wurden verfolgt, inhaftiert, ermordet und ins Exil getrieben. 1953 erfolgte die Wiedergründung mit dem Schwerpunkt politisch-historischer Bildungs- und Erinnerungsarbeit. Es ist jedenfalls nicht falsch, das Reichsbanner als jüngere Schwester des 1923 gegründeten Republikanischen Schutzbundes zu bezeichnen.

Wieder in Magdeburg

Gemeinsam mit dem Landtag von Sachsen-Anhalt lud das heutige Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold zu einem Festakt. Politische Prominenz wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) und zahlreiche weitere SpitzenpolitikerInnen waren dabei. Weiters reisten über 150 KameradInnen aus ganz Deutschland, ebenso wie weitere rund 100 Ehrengäste, an. Unter ihnen Johannes Tuchel, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, wo sich das Archiv und die sehenswerte Ausstellung des Reichsbanners befinden. Tuchel: „Wie viel einfacher, ist es heute, sich in der Demokratie zu engagieren. Wenn es etwas gibt, das wir vom historischen Reichsbanner lernen können, dann, dass demokratisches Engagement möglich ist.“ Nahezu die Hälfte der etwa 800 Mitglieder ist heute unter 40 Jahre alt. Im Foyer des Landtages wurde die Ausstellung „Für Freiheit und Republik! Das Reichsbanner Schwarz‐Rot‐Gold im Kampf für die Demokratie 1924-1933“ gezeigt. Sie umfasst 27 Tafeln und zeichnet auch anhand von Einzelschicksalen den Kampf von Kameraden des Reichsbanners für die demokratische Republik nach.

Ein Festakt mit klaren Worten

Höhepunkt des Tagesprogramms war der Festakt im Plenarsaal des Landtages. Landtagspräsident Schellenberger (CDU) wies in seinem Grußwort darauf hin, dass wir auch heute wieder zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen sind. 64 Reichsbanner-Leute seien noch vor dem Verbot des Verbands ermordet worden, auch deren Kampf und das Opfer dieser Menschen werde bei der heutigen Festveranstaltung gewürdigt, erinnerte der Vorsitzende Fritz Felgentreu und betonte weiter: „Die Werte des Reichsbanners müssen uns heute genauso wichtig sein wie der Weltkriegsgeneration vor hundert Jahren“. Das sichtbare Symbol dieser Werte seien die Farben Schwarz, Rot und Gold (in Abgrenzung zu Schwarz-Weiß-Rot, den Farben der Monarchisten und der Hakenkreuz-Fahne, Anm.). Das Reichsbanner hatte unter diesen Farben dem aggressiven Nationalismus, dem Antisemitismus und der Unterdrückung von Minderheiten den Kampf angesagt. Den Rechtsnationalen von heute rief er zu: „Lassen Sie Ihre Finger von den Farben der Freiheit!“ … „Die Republik, sie lebe hoch! Freiheit!“

Gerald Netzl

Web-Tipp: http://www.reichsbanner.de

Foto: Stele_Reichsbanner-Stefan-Deutsch.jpg Credit: Stefan Deutsch

Diese Stele auf dem Domplatz erinnert an die Gründung des Reichsbanners

Der Dank für den Text und die Bilder geht an den Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen,
Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen. Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden sich hier: http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2024/06/Kaempfer-4_5_6_2024.pdf

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