Die Antifa polarisiert. Für die einen leistet sie einen wichtigen Beitrag gegen Rechtsextremismus, für andere ist sie aufgrund ihrer Infragestellung des staatlichen Gewaltmonopols eine Gefährdung der Demokratie von links. Was sind die zentralen Kennzeichen dieser linksradikalen Bewegung? Richard Rohrmoser zeichnet in seinem im Vorjahr erschienenen Buch die historische Entwicklung der vielschichtigen antifaschistischen Bewegung seit ihren Anfängen nach und skizziert das Spannungsfeld zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement und radikaler Gewaltbereitschaft, in dem sie sich heute befindet. Rohrmoser konzentriert sich in seinem kompakten Buch auf Deutschland.
Kapitel 1 behandelt den Entstehungskontext der 1932 gegründeten „Antifaschistischen Aktion“ in der Weimarer Republik, die Entstehung des Faschismus sowie die Jahre der Nazi-Diktatur. Danach stellt er antifaschistische Organisationen und Parteien in der Bundesrepublik, wie etwa die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), KPD und DKP, sowie den (maoistischen) Kommunistischen Bund vor. Da diese aus Sicht linksradikaler Strömungen dem Neonazismus zu wenig entgegengestellt hatten, bildeten sich ab den frühen 1980er Jahren Gruppen der „Autonomen Antifa“. Der Autor beleuchtet deren breites Spektrum ebenso wie die Situation in der DDR in diesem Zeitraum. Die 1990er Jahre waren geprägt von pogromartigen Gewaltausschreitungen nach der Wiedervereinigung. Als Reaktion darauf gab es bundesweite antifaschistische Vernetzungsversuche und neue antifaschistische Subgruppen (Antifaşist Gençlik, Fantifa-Gruppen, Edelweißpiraten). Vor allem für ihre antifaschistische Aufklärungs-, Bildungs- und Gedenkstättenarbeit erhalten Antifa-Gruppen viel Zuspruch: durch ihre akribischen Chronologien und Dokumentationen sind sie über rechte Aktivitäten und Strukturen oftmals schneller im Bilde als die staatlichen Institutionen und besser informiert als die Medien. Interessant ist die Darstellung der Spaltung der linksradikalen Bewegung in den 2000er Jahren in die „Antideutschen“ und die „Antiimperialisten“. Fazit: Ein informatives, lesenswertes Buch, dessen Schwerpunkt auf der jüngeren Geschichte liegt.
Text: Rezession von Dr. Gerald Netzl
Illustrationen: Cover_Antifa_Rohrmoser.jpg
Richard Rohrmoser: Antifa. Porträt einer linksradikalen Bewegung. Von den 1920er Jahren bis heute, C. H. Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-76097-6, 208 Seiten, € 16,00
Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer 10-11-12/2023“