25. Dezember 2023: Ungarn hat sich am rechten Rand Europas einzementiert 

Viktor Orban hat Ungarn in den letzten 13 Jahren auf rechts gedreht. Seit dem Erreichen der Zweidrittelmehrheit bei den Wahlen im Jahr 2010 geht unser Nachbarland konsequent den Weg in die illiberale Demokratie. Allein ist Ungarn dort aber ganz und gar nicht – auch weil viele in Europa Orban und seiner Politik nacheifern.  

Als “hybrides System einer Wahlautokratie” bezeichnete das EU-Parlament im vergangenen September das politische System Ungarns. Von einer echten Demokratie war das Land für die meisten Abgeordneten im EU-Parlament da schon zu weit entfernt. Wundern kann das niemanden, der die Nachrichten in den letzten Jahren verfolgt hat. Orban hat die demokratischen Institutionen nach und nach ausgehöhlt. In der Kritik stand auch immer sein Umgang mit den Medien, die er in den letzten Jahren komplett unter seine Kontrolle gebracht hat. So bezeichnet auch das ZDF den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Ungarns als “Staatspropagandasender”, in dem der Oppositionskandidat in vier Jahren ganze fünf Minuten zu Wort gekommen ist. 

Aber nicht nur den Umgang mit den Medien dürfte Orban aus Putins Playbook entnommen haben. Auch die Auswüchse der Vetternwirtschaft erinnern frappant an russische Verhältnisse. Vor diesem Hintergrund beschloss die EU – auch aus Sorge vor dem Versickern der Geldflüsse in Orbans problematischen Netzwerken – die Auszahlung von Mitteln aus dem europäischen Gemeinschaftshaushalt einzufrieren. Zu einem moderateren Ton gegenüber der EU hat diese Maßnahme bei Orban jedoch nicht geführt – im Gegenteil – angesichts der Vorgänge rund um Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili forderte Orban gleich, dass das EU-Parlament aufgelöst werden müsse.  

In diesem Spannungsfeld ist natürlich auch die Arbeit der politischen Opposition nicht einfach. Der ungarische EU-Abgeordnete Sándor Rónai (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament) ist aber davon überzeugt, dass Ungarn die Kehrtwende noch schaffen kann: “Auch wenn es überraschend klingt – ich bin der Meinung, dass Ungarn tatsächlich noch kein rechtsextremes Land ist. Ungarn wurde jetzt 13 Jahre lang von einer Regierung in Geiselhaft gehalten, die von sich selbst behauptet rechts-konservativ zu sein und in Wahrheit einfach nur populistisch ist. Premierminister Orban hat ein illiberales System aufgebaut, das auf einer im ganzen Land um sich greifenden Korruption aufbaut, bei der ein paar wenige superreich geworden sind, während die Mehrheit der Bevölkerung unter der hohen Inflation zu leiden hat.”  

Erschwert wird die Arbeit der Opposition nicht zuletzt durch die Vereinnahmung der Medien, die Orban zum System gemacht hat. “Das Medienimperium, das Orban mit gestohlenen Milliarden – mehrheitlich von der EU – aufgebaut hat und das seine Propaganda hinausposaunt, hält das ganze Land in einem Lügengebilde fest”, so Ronai, der aber auch Grund zur Hoffnung sieht: “Trotz der Propaganda, der Hassreden und der verschwendeten Milliarden zeigen Umfragen, dass sich die Ungarn nach wie zur EU-Mitgliedschaft bekennen. Für mich, als Anhänger der Idee von den Vereinigten Staaten von Europa, ist das ein ermutigendes Zeichen. Als Repräsentanten der Demokratischen Koalition und unserer europäischen Familie, der S&D, arbeiten wir für ein europäisches Ungarn, damit wir nach diesem Albtraum wieder auf den europäischen Weg zurückkehren und wieder zu einem echten Verbündeten und zu einem guten Beispiel für andere europäische Staaten werden können.” 

Sidl: EU muss demokratische Grundwerte effektiv verteidigen 

“Ungarn hat sich nicht über Nacht in ein rechtspopulistisches Land verwandelt. Das war ein jahrelanger Prozess, in dem die demokratischen Institutionen immer weiter ausgehöhlt wurden”, erklärt der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Sidl, der bei solchen Entwicklungen auf ein engagierteres Eingreifen der EU drängt: “Die EU muss endlich ein Rezept gegen Orban und Co finden. Es kann nicht sein, dass die Populisten ganz Europa zum Narren halten können, ohne dass etwas passiert. Deshalb war es ein wichtiges Zeichen, dass die EU-Gelder eingefroren wurden. Die EU muss ihre Grundwerte effektiv verteidigen! Dazu gehören wirksame Sanktionsmechanismen genauso wie eine Politik, durch die die Menschen spüren, wie die EU für sie da ist. Denn nur so kann man Populisten wie Orban wirklich den Wind aus den Segeln nehmen.” 

Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer 10-11-12/2023“ 

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