Karl Still war Eisenbahner, Gewerkschaftler, Genosse, Ehemann und Vater. Im Jahr 1923 war er nur 25 Jahre alt, als er plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Zeitgeschichtliche Dokumente aus dem Archiv der Eisenbahnergewerkschaft belegen, dass der junge Eisenbahner und Ordner am 4. Mai 1923 bei einem Zusammenstoß in Favoriten von „Hakenkreuzlern“ angeschossen wurde. Zwei Wochen darauf erlag er seinen schweren Verletzungen.
Der brutale Mord an ihm fiel in die Zeit der Gründung des Republikanischen Schutzbunds – der Organisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), die für die „proletarische Wehrhaftigkeit“ stand. Die damalige Zeit, in der Karl lebte, hat viele negative Entwicklungen gebracht. Die Freiheit Österreichs wurde permanent untergraben und diese Entwicklung fand ihren negativen Höhepunkt unter Engelbert Dollfuß, der 1933/34 als diktatorisch regierender Bundeskanzler die Demokratie, den Rechtsstaat und auch die Sozialdemokratie abschaffte. Die darauffolgenden Jahre sind ein dunkles Kapitel in der österreichischen Geschichte.
Karl Still war Eisenbahner und vor allem eines: Er setzte sich für die Rechte anderer Kolleginnen und Kollegen ein. Seine Geschichte – wie die von vielen anderen – kann man im Archiv der Eisenbahnergewerkschaft in der Margaretenstraße in Wien nachrecherchieren. Sein Begräbnis am 26. Mai 1923 wurde zu einer mächtigen Kundgebung der Wiener Sozialdemokratie gegen den frühen Faschismus. Er erhielt ein Ehrengrab direkt an der Wand der Feuerhalle Wien (= Krematorium, neben dem Eingang links in den Arkaden). 100 Jahre später erinnerte unsere Bezirksgruppe Favoriten auf Initiative von Gen. Volkmar Harwanegg mit einer Kranzniederlegung bei der Feuerhalle und einer eigenen Veranstaltung im Favoritner Arbeiterheim an Karl Still.
Die Geschichte der ÖBB als eigenständige Wirtschaftseinheit begann im Jahr 1923, konkret am 19. Juli 1923, als der Nationalrat das Bundesbahngesetz, mit dem die Österreichische Bundesbahnen als Unternehmen gebildet wurden, beschloss. Der Betrieb der ÖBB wurde am 1. Oktober 1923 aufgenommen. Die ÖBB hatten bei ihrer Gründung einen Personalstand von über 112.000 MitarbeiterInnen und ihr Fuhrpark zählte 2.600 Dampflokomotiven, die 2,2 Millionen Tonnen Kohle im Jahr verbrauchten.
Elgin Feuschar (Konzernbetriebsrat ÖBB)
Illustration: Karl Still.png Credits: Die Leuchtrakete Juni 1923
Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer 7-8-9/2023“