2. August 2023: Schimon Peres – Gedenken zum 100. Geburtstag

Heute, am 2. August, jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag des israelischen Politikers und Friedensnobelpreisträgers Schimon Peres. Aus diesem Anlass wollen wir des großen Staatsmannes gedenken.

Schimon Peres, ursprünglich Szymon Perski, wurde am 2.August 1923 in Wiszniew, damals Polen, heute Belarus geboren und ist am 28. September 2016 in Tel Aviv verstorben. Nach seinem Tod veröffentlichte „Die Zeit“ einen Nachruf, den wir hier wiedergeben:

Schimon PeresEin unverbesserlicher Optimist

Schimon Peres musste sich die Liebe der Israelis hart erkämpfen. Er wollte seinem Land Frieden bringen und bekam dafür den Nobelpreis. Jetzt ist er gestorben.

Von Gisela Dachs, Tel Aviv   28. September 2016

Optimisten und Pessimisten sterben gleichermaßen, aber sie leben anders, hat Schimon Peres einmal gesagt. Er zog das Dasein als Optimist vor. Dieser Charakterzug prägte ihn tatsächlich in vielerlei Hinsicht: als Politiker, der nie einen anderen Beruf ausübte, als ältester Staatspräsident der Welt, der seinen 90. Geburtstag im Amt feierte – und in den Jahren danach, während seiner unermüdlichen Aktivitäten in dem von ihm gegründeten und nach ihm benannten Friedenszentrum in Tel Aviv-Jaffa. Bis zu seinem Tod am frühen Mittwochmorgen im Alter von 93 Jahren haftete ihm das Image des unverbesserlichen Optimisten an – nicht immer zu seinem Vorteil. Wurde er im Ausland als Staatsmann gefeiert, wenn er von einem neuen Nahen Ostenschwärmte, verspotteten ihn viele seiner Landleute als Träumer.

Dass Peres aber sein Naturell durchaus mit Entschlossenheit zu paaren wusste, unterstrich zuletzt ein Eintrag im Logbuch der Militärarchive, der im Juli 2015 veröffentlicht wurde. Es ging um die Operation Entebbe am 4. Juli 1976, die spektakuläre Befreiungsaktion israelischer Geiseln in Uganda, nachdem ihr Flugzeug auf dem Weg von Tel Aviv nach Paris entführt worden war. Schimon Peres, damals Verteidigungsminister, schob die Zweifel nach der Machbarkeit dieser gewagten militärischen Mission mit einer kurzen Notiz an den damaligen Premierminister Izchak Rabin beiseite: „Wie beginnt eine Mission? 1. Sie sagen, dass es unmöglich ist, 2. Der Zeitpunkt ist falsch, 3. Das Kabinett wird nicht zustimmen. Das einzige Problem, das ich gesehen habe und immer noch sehe, ist die Frage nach dem Ausgang.“

Peres war – anders als die meisten wichtigen Politiker seiner Generation – kein General, hatte aber oft Schlüsselfunktionen im zivilen Teil des Sicherheitsapparats inne. Dass er nie in der Armee gediente hatte, blieb sein Makel. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 war er als junger Mann von seinem Mentor David Ben Gurion ins Ausland geschickt worden, um für Waffennachschub zu sorgen.

Seine Außenseiterrolle wurde noch durch die Tatsache bestärkt, dass er kein Sabre war, also kein Im-Land-Geborener. Schimon Peres kam 1923 als Szymon Perski in Polen auf die Welt. Seine Biografie ist dennoch eng mit der Geschichte Israels verbunden: Er gehörte der Gründergeneration an, eng verbunden mit der historischen Arbeitspartei.

Vom unbeliebten Politiker zum Versöhner

Er war elf, als er mit seinem Vater Palästina erreichte. Seine Verwandten, die in seinem Heimatort Wiszniew (dem heutigen belarussischen Wischnewa) geblieben waren, wurden alle im Holocaust ermordet. Der neue Staat Israel war damals ein Land der Jungen, so wurde Peres mit 29 Jahren zum (immer noch jüngsten) Direktor des Verteidigungsministeriums ernannt. Ab 1959 saß er dann bis 2007 kontinuierlich als Abgeordneter in der Knesset (unterbrochen nur von einer dreimonatigen Pause im Jahr 2006). In dieser Zeit hatte Peres ein Dutzend Ministerposten inne und war auch zweimal Premierminister. Er wurde jedoch nie direkt in dieses Amt gewählt, sondern sprang ein: So war er es, der nach der Ermordung seines Parteikollegen Izchak Rabin das Amt übernahm, und dann –entgegen aller Erwartungen – bei den Wahlen 1996 gegen Benjamin Netanjahu verlor. Das Verlieren gehörte zu seinem Karma: In Umfragen lag Peres oft vorne, wenn aber die Stimmzettel ausgezählt wurden, unterlag er. Diese Unbeliebtheit beim Volk – und auch bei seiner eigenen Partei – verfolgte ihn. Dennoch probierte er es immer wieder. Unvergessen bleibt sein Ausruf vor der versammelten Mitgliedschaft der Arbeitspartei: „Was, ich soll ein Verlierer sein?“, hatte er sie2007 gefragt, worauf ein kollektives „Ja“ zurückschallte. Spät kam dann doch noch die Wende, allerdings nur beim zweiten Anlauf und erst nach dem Skandal um seinen Vorgänger Mosche Katzav: Schimon Peres wurde von der Knesset zum Staatspräsidenten gewählt. In dieser Funktion war er plötzlich geliebt und gefeiert. Auf einmal war er zum Versöhner geworden.

Vor allem zu seinem langjährigen Parteirivalen Izchak Rabin hatte er viele Jahrelang eine schwierige Beziehung. Dieser verkörperte den Sabre und General, alles was Peres nicht war. Gemeinsam aber hatten sie in den 1990er Jahren ein neues Kapitel in der Politik gegenüber den Palästinensern aufgeschlagen. Auch Peres gehörte somit zu jenen, die sich mit der Zeit ideologisch von einem „Falken“ zur „Taube“ gewandelt hatten: So war er ein früher Befürworter des Siedlungsprojekts im Westjordanland, distanzierte sich dann aber auch als einer der ersten von ihm, indem er für den Dialog mit der PLO und für territoriale Kompromisse im Hinblick auf das besetzte Westjordanland und den Gazastreifen eintrat. Als Rabins Außenminister trieb er das im Geheimen ausgehandelte Osloer Abkommen mit voran. 1994 wurde ihm deshalb, zusammen mit Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat, der Friedensnobelpreis verliehen.

Harte Hand mit versöhnlicher Rhetorik

Später sagte Schimon Peres, einst Chefarchitekt des israelischen Atomprogramms, dass er „Dimona“ gebaut habe, um den Israelis ein Gefühl von Sicherheit zu geben – und sie so dem Frieden näher zu bringen. Nur der Glaube an die Unbesiegbarkeit des jüdischen Staates habe die arabischen Länder zur Einsicht gebracht, dass sie verhandeln müssten, sagte er. „Ich wollte nicht nach Hiroshima, sondern nach Oslo.“ Eine harte Hand und eine versöhnliche Rhetorik lagen bei Peres oft nahe beieinander. Das hat ihm bei vielen engagierten Linken im Land oft genauso viel Kritik eingetragen wie bei den Rechten. So unterstützte Peres während der Zweiten Intifada auch Ariel Scharons harsche Politik, um gegen palästinensische Selbstmordattentäter vorzugehen – und schloss sich dann dessen neuer Kadima-Partei an, an deren Spitze Scharon 2005 den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen durchsetzte.

2011 wurde Peres Witwer. Mit seiner Frau Sonya hatte er drei Kinder. Weil sie mit seinen vielen Aktivitäten nicht mehr mithalten wollte, war Sonya schon nicht mehr mit in die Präsidentenresidenz umgezogen. Als oberstes Staatshaupt konnte er seine Energien dann aber umso mehr entfalten. Er blieb offen für Neues und die Jungen und entdeckte Facebook schon früh als Kontaktmittel mit den Bürgern. Jeder, der sich an ihn wandte, bekam eine Antwort – sei es auf elektronischem Weg, per Post oder manchmal auch telefonisch. Auf die Frage nach seiner Vitalität sagte er einmal: „Nie Urlaubmachen, immer beschäftigt sein und das mit einer Tätigkeit, die einem Erfüllung gibt.“

2014 verabschiedete sich Peres in den Ruhestand. Sein Rentnerdasein unterschied sich aber kaum von seinem vorherigen Leben. Nur drehte es sich fortan um sein Friedenszentrum. Nichts wirkte dem Zufall überlassen, als er dort etwa im Juni 2015 Michael Douglas empfing. Der Hollywoodstar, der auch UN-Friedensbotschafter ist, fragte Peres nach den Veränderungen in seinem Land. Was er denn sähe, wenn er zurückblicke? „Israel ist viel großartiger und stärker, als wir es uns vorgestellt haben, wir haben viele Kriege hinter uns, aber auch Frieden geschlossen“, sagte Peres. Er glaube weiter daran, dass man sich mit den Palästinensern einigen könne, auch wenn beide Seiten behaupteten, dass es sehr schwer sei, mit der jeweils anderen zu verhandeln. Für ihn gab es keine Alternative zur Zweistaatenlösung. „Mahmud Abbas ist ein sehr seriöser Mann, ich kenne ihn seit 40 Jahren. Wenn so einer sagt: Ich bin in Safed geboren und habe nicht vor, dorthin zurückzukehren, dann beweist das viel Mut. Ich glaube, dass er ein Partner ist.“

Quelle: Zeit Online vom 28.9.2016

Foto: Elza Fiúza – Agência Brasil (Department of Press and Media)

Hinterlasse einen Kommentar