Die Gründung des Republikanischen Schutzbundes 1923 als sozialdemokratischer paramilitärischer Verband war ein Resultat von Entwicklungen, die bereits im Übergang von der Monarchie zur Republik 1918 einsetzten. Ihm gingen drei proletarische Selbstverteidigungsformationen voran, die nun zusammengeführt wurden: Parteiordner (seit den 1890ern), Fabrik- und Arbeiterwehren (seit der Umsturzzeit 1918) und Ordnerabteilungen der Arbeiterräte (in Folge der Ereignisse des 15. Junis 1919 aufgestellt, als die Polizei bei einer Demonstration von AnhängerInnen der Kommunistischen Partei in die Menge schoss und zwanzig Personen starben). Neben dem Ziel, sich gegen das bürgerliche Lager verteidigen zu können, gehörte zu den Motiven auch eine Kanalisierung proletarischer Militanz, sowie die Disziplinierung der eigenen Mitglieder. Der Aufbau der Struktur des Schutzbundes folgte klassisch militärisch-hierarchischen Vorstellungen, was sich ebenso in seinem frühen Führungspersonal widerspiegelte. Nach der Auflösung der Arbeiterräte 1924 trat der Schutzbund deren Nachfolge an, übernahm Vermögensteile, Lokale, Einrichtungen, eingezahlte Beiträge und Delegationsmöglichkeiten. Zwei Jahre später trat der Schutzbund in den Arbeiterbund für Sport und Körperkultur (ASKÖ) ein, was sowohl den Erhalt von Subventionen vereinfachte als auch mehr Wehrsportler in den Verband bringen sollte.
Als richtungsweisend auch für die Organisationsgeschichte des Schutzbundes sollten sich die Ereignisse des Justizpalastbrandes am 15. Juli 1927 erweisen. Das Polizeimassaker an demonstrierenden ArbeiterInnen, sowie die Niederschlagung des von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAPÖ) als Reaktion ausgerufenen Verkehrsstreikes führten einerseits zum Aufschwung rechter Milizen, andererseits zu verstärkten Bemühungen der Partei, den Schutzbund zu vergrößern und strikter zu disziplinieren. Das im Herbst des Jahres erfolgte Reformprogramm lässt sich zusammenfassen unter den Stichpunkten der „Reorganisation, Militarisierung, Disziplinierung und somit Entpolitisierung“. Während der Schutzbund zuvor auch politischer Verein war, mit Versammlungen zwecks Diskussionsabenden, der Wahl bestimmter Funktionen (politischer Leiter sowie den unteren militärischen Kommandanten bis zur Ebene des Kompanieführers), wurde er nun in strenger militärische Bahnen überführt. Die Diskussionen wichen Appellen. Sowohl die Aufnahme, als auch potentielle Ausschlüsse wurden politisch strenger gehandhabt, was zu einer „politischen Säuberung“ in den Reihen des Schutzbundes genutzt wurde, um insbesondere Kommunisten auszuschließen.
Im Dezember 1930 wurde die Gründung sogenannter Alarmabteilungen, also einer Art Elitegruppen, die aus jüngeren und körperlich fitten Mitgliedern des Schutzbundes bestanden, beschlossen und insbesondere in Wien in den nächsten Monaten durchgeführt.
Die Auflösung des Schutzbundes erfolgte im März 1933, nach der Auflösung des Parlaments. Die Regierung näherte sich zunächst zögerlich an: Nach lokalen Zusammenstößen auf Grund des Versuchs der Regierung, das Wiederzusammentreten des Parlaments zu verhindern, wurden die ansässigen Schutzbundorganisationen in Waidhofen an der Ybbs und in Tirol verboten. Der sozialdemokratische Protest dagegen fiel handzahm aus – was die Regierung darin bestärkte, nunmehr den gesamten Schutzbund aufzulösen. Die Parteispitze und die Schutzbundleitung wurden nicht überrascht von diesem Entschluss, sondern hatten diesen soweit vorweggenommen, dass sie bereits drei Tage vor der offiziellen Auflösung das Vereinsvermögen an die Partei überwiesen und Anweisung für „Demonstrationsbummel“ für den Fall der Auflösung gegeben hatten.
Die Partei hatte einmal mehr ihren „institutionellen Weiterbestand auf Kosten wirklicher politischer Macht“ gesichert und damit ihren wichtigsten Machtfaktor aus der Hand gegeben. Zwar wurden in der Folgezeit neue Ordnerschaften, die sogenannten Propagandaabteilungen, gegründet, vergleichbar waren deren Möglichkeiten mit denen des Schutzbundes jedoch nicht. Uniformierte Machtdemonstrationen und militärische Ausbildung für die Mitglieder waren unmöglich, die Bewaffnung konstantes Problem. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei verlor zwischen März 1933 und Mitte Jänner 1934 ein Drittel ihrer Mitglieder. Die genauen Mitgliederzahlen der Ordnerschaften sind schwer zu ermitteln, da diese eben kein eigenständiger Verein mehr waren, sicher ist, dass sie stark dezimiert waren – „[d]er Großteil der Schutzbündler wollte damals nicht mehr mittun“, so Schutzbund-Stabschef Alexander Eifler im April 1935 bei seiner Aussage im Prozess gegen ihn und andere führende (Wiener) Schutzbündler.
Die komplette aktuelle Ausgabe findet sich unter: http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2023/03/FSW-01-02-03-Version-FINAL-WEB.pdf
Charlotte Rönchen
Foto: Schutzbund_Innsbruck.jpg Credits: IHSF-Archiv
Fototext: Angehörige des Republikanischen Schutzbundes Innsbruck 1933
