3. Dezember 2022: Heinrich Steinitz – unvergessen!

Heinrich Steinitz wurde am 30. August 1879 in Bielitz, im heutigen Polen, als Sohn des angesehenen Arztes Dr. Gustav Steinitz und seiner Frau Hermine geboren. 1897 begann er sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, 1902 promovierte er zum Dr. jur. 1910 legte er die Advokatenprüfung ab und wurde in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Zunächst war er für kurze Zeit Richter, dann Anwalt. In den politischen Prozessen nach 1934 sollte er viele SozialistInnen vor Gericht vertreten.

Mit seiner Gattin Meta (geb. 1890) hatte er vier Kinder: Tochter Lisbeth kam 1911 zur Welt, Anna 1914, Karl Heinrich 1916 und Brigitte 1919. Die Familie wohnte im 13. Bezirk, St.-Veit-Gasse 7, die Rechtsanwaltskanzlei befand sich im selben Bezirk, in der Nisselgasse 2 (der nördlich des Wien-Flusses gelegene Teil von Hietzing wurde erst 1938 abgespalten und zum 14. Bezirk Penzing).

Jurist, Feingeist, Sozialdemokrat

Im Ersten Weltkrieg geriet Steinitz 1916 an der Ostfront in Kriegsgefangenschaft. 1918 gelang es ihm, über Schweden aus der Kriegsgefangenschaft zu flüchten. Wieder zurück in Wien, schloss er sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an. Er wurde Sektionsleiter der Sektion 2 der Hietzinger Bezirksorganisation und Obmann des Bezirksbildungsausschusses. Im Arbeiterrat stieg er zum führenden Gremium, dem Reichsarbeiterrat auf. Er publizierte Beiträge in der sozialdemokratischen Presse zu Rechtsfragen. Mit den Mitgliedern der Sozialistischen Bildungszentrale machte Steinitz im Juli 1930 eine Bildungsreise in die USA. Er war eines der Gründungsmitglieder der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ und wurde deren Schriftführer. 1933 wurde der von Steinitz für den 20. Todestag von August Bebel († 13. August 1913) verfasste Hymnus „Das Spiel um August Bebel“ mit mehr als tausend Mitwirkenden aufgeführt. Die Familie Steinitz führte ein offenes Haus. Jeden Freitagabend traf sich dort ein großer Freundeskreis von bildenden Künstlern, wie der Maler Georg Merkl, und Schriftstellern, wie Luitpold Stern, Rudolf Brunngraber, Oscar Maria Graf, Hans Leifhelm, Ernst Waldinger. Ab 1934 zählte auch eine Reihe von sozialdemokratischen PolitikerInnen, u.a. Otto und Käthe Leichter, Oscar und Marianne Pollak, Jaques Hannak, Frieda Nödl und Rosa Jochmann zu den „Freitag-Abend-Gästen“.

Meta Steinitz leitete bis 1934 eine Arbeiterbücherei in Hietzing. 1934 erwarb Steinitz gemeinsam mit Rudolf Neuhaus und Dr. Schmelz die Buchhandlung „Bukum“ im 1. Bezirk, Bauernmarkt 3, seine Frau Meta übernahm auch deren Leitung. Die Buchhandlung wurde für einige Monate ein wichtiger konspirativer Treffpunkt für die Revolutionären Sozialisten.

Anwalt unserer GenossInnen

Nach der Zerschlagung der SDAP im Februar 1934 wurde Steinitz zum wichtigsten Rechtsbeistand der politischen Gefangenen, darunter Hauptmann Rudolf Löw im Schutzbundprozess 1935. Im Sozialistenprozess 1936 verteidigte er Karl Hans Sailer, Johann Kratky, Lily Fulda und Josef Wacke. Seine Wohnung in Hietzing wurde zu einem Treffpunkt des sozialistischen Widerstandes.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“, am 14. März 1938, wurde Steinitz von der Gestapo verhaftet und am 25. Mai in das KZ Dachau verschleppt. Am 10. Oktober 1938 wurde er in das KZ Buchenwald gebracht, am 20. Oktober 1942 nach Auschwitz. Jaques Hannak und Erich Fein, Mitgefangene von Steinitz, berichteten, dass er in Dachau und Buchenwald Gedichte verfasst hat. Benedikt Kautsky, ein Mithäftling von ihm in Auschwitz, berichtete von der „Selektion“ der Gefangenen nach ihrer Ankunft in Auschwitz. Heinrich Steinitz gehörte zu denen, die wegen ihres Alters ausgeschieden wurden. Noch am Nachmittag des 20. Oktober 1942 marschierten diese nach Birkenau, wo sie ermordet wurden.

Meta Steinitz konnte 1938 in die Schweiz flüchten. Nach ihrer Rückkehr 1947 wurde sie Mitarbeiterin bei der Wiener Städtischen Bücherei. Sie starb 1974. Auch die Kinder von Steinitz konnten flüchten. Seine Mutter Hermine, 84-jährig, wurde deportiert und kam um.

In der Auhofstraße 6 wurde 1955 ein Gemeindebau nach ihm benannt. Eine am Steinitzhof angebrachte Gedenktafel würdigt ihn als „Anwalt vieler Verfolgter“.

Herbert Exenberger (†) auf der Website der Theodor Kramer-Gesellschaft

Foto Heinrich: Steinitz.tif Credits: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald Fototext: Heinrich Steinitz

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