Eugenie Schwarzwald wurde am 4. Juli 1872 in Polupanowka bei Tarnopol (Galizien) geboren und starb am 7. August 1940 in Zürich. Sie war Germanistin, Pädagogin, Schulreformerin und Pionierin der Mädchenbildung.
Eugenie Schwarzwald, geborene Nußbaum, verbrachte ihre Kindheit und Jugend großteils in Czernowitz. Es gelang ihr, sich für das Studium an der Universität Zürich zu qualifizieren: von 1895 bis 1900 studierte sie in der Schweiz Philosophie, Literatur und Pädagogik – in einer Zeit also, als an österreichischen Universitäten Frauen noch nicht zum Studium zugelassen waren. Im Sommer 1900 promovierte sie mit einer Arbeit über „Metapher und Gleichnis bei Berthold von Regensburg“ und kehrte dann nach Czernowitz zurück, wo sie im Dezember desselben Jahres Hermann Schwarzwald heiratete. Gemeinsam zog das Paar nach der Hochzeit nach Wien.
Von Eleonore Jeiteles übernahm sie 1901 gegen eine Ablöse das Mädchenlyzeum 1 am Franziskanerplatz 5 und erweiterte dieses allmählich zu einem Schulzentrum (anfangs auch noch mit Kindergarten und Volksschule, später Gymnasial- und allgemeine Fortbildungskurse). Ab 1911 beinhaltete dieses Zentrum auch ein achtklassiges Mädchenrealgymnasium (ab 1913: 1. Bezirk, Herrengasse 10/Wallnerstraße 9) und war die erste Schule in Österreich, an der Mädchen maturieren konnten. Nach dem Ersten Weltkrieg kam zu den anderen Schulzweigen auch noch eine Frauenoberschule dazu. Da ihre Befugnis zur Leitung der Schule 1904 nicht verlängert worden war, musste sie bis 1938 die Direktion offiziell anderen überlassen.
Die Grundideen der Pädagogik Schwarzwalds waren Gewaltfreiheit und Kreativitätsförderung; sie stand mit Maria Montessori in Kontakt. Insbesondere die Förderung von Mädchen und jungen Frauen war ihr ein Anliegen. Es gelang ihr, namhafte Persönlichkeiten als Lehrer und Vortragende an ihren Schulen und Fortbildungskursen zu verpflichten, etwa Oskar Kokoschka für Zeichnen, Adolf Loos für Architektur, Egon Wellesz für Musik, Hans Kelsen für Soziologie (möglicherweise auch für Volkswirtschaftslehre) und Otto Rommel für Literatur – Letzterer war von 1916 bis 1919 auch Direktor der Schwarzwald’schen Mädchenmittelschulen. Zudem stellte sie Personen wie Arnold Schönberg und Karl Kraus Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung, damit diese eigene Projekte verwirklichen konnten.
Bekannte Schülerinnen der Schwarzwaldschule waren Elsie Altmann-Loos, Alice Herdan-Zuckmayer, Ruth Karplus, Edith Kramer, Maria Lazar, Elisabeth Neumann-Viertel, Else Pappenheim, Hilde Spiel, Helene Weigel, Lucie Varga, Alma Wittlin und viele mehr.
Die Wohnung des Ehepaars Schwarzwald im 8. Bezirk war Treffpunkt junger Talente und bereits etablierter Persönlichkeiten des Kulturlebens, wie beispielsweise Oskar Kokoschka, Jakob Wassermann, Carl Zuckmayer und Hermann Broch; in ihren Sommerkolonien, Landheimen und Gemeinschaftsküchen trafen sich unter anderem Karl Popper, Manes Sperber, Arnold Schönberg und Robert Musil.
Eine besondere Freundschaft verband sowohl Eugenie als auch Hermann Schwarzwald mit Adolf Loos. Er hatte nicht nur die Wohnung in der Josefstädter Straße sowie Schulräume in der Wallnerstraße gestaltet, für die Schwarzwald’schen Schulanstalten arbeitete Loos vier letztlich nicht realisierte Bauprojekte aus, unter anderem für einen Standort in der Johannesgasse sowie für Breitenstein auf dem Semmering. Auch Hermann Schwarzwald vermittelte Loos in seiner Funktion als hochrangiger Beamter des Handels- beziehungsweise Finanzministeriums Aufträge, vor allem im Banksektor. Seine zweite Frau, die Tänzerin Elsie Altmann, lernte er noch als Schwarzwaldschülerin kennen. Eugenie Schwarzwald ermöglichte Loos ab 1912 die Nutzung der Schulräume in der Wallnerstraße für die Zwecke seiner eigenen Bauschule.
Während des Ersten Weltkriegs richtete Eugenie Schwarzwald Gemeinschaftsküchen (beispielsweise den Akazienhof), Tagesheime, Land- und Ferienheime für Kinder und Erwachsene ein – viele dieser Einrichtungen gingen nach dem Krieg ins Wohlfahrtswesen des Roten Wien über und erwiesen sich so als zukunftsweisend.
Abseits ihrer Schule war Schwarzwald eine gefragte Feuilletonistin und Vortragende – ab 1918 veröffentlichte sie zahlreiche Artikel zu pädagogischen und kulturhistorischen Themen, vornehmlich in der Wiener Presse, aber auch in deutschen und schweizerischen Zeitschriften. Ebenso trat sie etwa in Deutschland, der Schweiz und Dänemark als Rednerin auf und sprach ab den 1920er Jahren auch immer wieder im Radio.
1938 kehrte Schwarzwald von einer Vortragsreise in Dänemark nicht mehr nach Wien zurück, sondern emigrierte in die Schweiz. In Österreich wurde ihr gesamtes Eigentum arisiert und die Schule geschlossen; die meisten Schülerinnen mussten emigrieren oder wurden später in der Shoah ermordet. Ihr Mann konnte im September 1938 noch aus Österreich in die Schweiz fliehen, wo er 1939 starb.
Im Jahr 2011 wurde in Wien-Donaustadt (22. Bezirk) der Eugenie-Schwarzwald-Weg nach ihr benannt.
Quellen:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/
Foto:
Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv, Pf 10.231 : D (1),
Urheber: Becker & Maas