4. Dezember 2025: Zum 150. Geburtstag von Rainer Maria Rilke (4.12.1875 – 29.12.1926)

Biografischer Überblick

Rainer Maria Rilke wurde am 4. Dezember 1875 in Prag geboren, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Sein voller Name lautete René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke. Er stammte aus einer bürgerlichen Familie: Der Vater, Josef Rilke, scheiterte an einer militärischen Laufbahn und arbeitete schließlich bei der Bahn, die Mutter Sophie kam aus einer wohlhabenden Prager Fabrikantenfamilie. Rilkes Kindheit gilt als konfliktreich; das Verhältnis zu beiden Eltern war von unerfüllten Erwartungen geprägt.

Auf Wunsch der Eltern besuchte Rilke zunächst Militärschulen in St. Pölten, litt aber stark unter der Disziplin und brach diese Laufbahn krankheitsbedingt ab. Danach versuchte er sich an einer kaufmännischen Ausbildung in Linz, bevor er nach Prag zurückkehrte. Dort bereitete er sich privat auf die Matura vor und studierte anschließend an der Deutschen Universität in Prag u. a. Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie. Später setzte er sein Studium in München fort, ohne einen akademischen Abschluss zu erwerben.

Entscheidende Wendepunkte in seinem Leben waren persönliche Begegnungen: 1897 lernte er in München die Schriftstellerin und Intellektuelle Lou Andreas-Salomé kennen. Unter ihrem Einfluss änderte er seinen Vornamen von „René“ in „Rainer“ und entwickelte sich künstlerisch weiter. Die Beziehung endete 1900, blieb aber als geistige Freundschaft und Briefpartnerschaft bis zu seinem Tod bedeutsam.

1901 heiratete Rilke die Bildhauerin Clara Westhoff; noch im selben Jahr wurde die gemeinsame Tochter Ruth geboren. Die Ehe bestand lebenslang, war aber von längeren Trennungen geprägt, da Rilke ein sesshaftes Familienleben mied und ein unstetes, von Reisen geprägtes Leben führte.

Paris, Reisen und künstlerische Prägungen

Ab 1902 wurde Paris zu einem Zentrum seines Lebens und Arbeitens. Dort setzte er sich intensiv mit der modernen Kunst auseinander, insbesondere mit dem Werk des Bildhauers Auguste Rodin, über den er eine Monografie schrieb, und mit den Bildern Paul Cézannes. Die Erfahrung der Großstadt, ihre Armut, Anonymität und Modernität, verarbeitete Rilke später in seinem einzigen Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910).

Mehrfach reiste Rilke nach Italien und Russland. Die Russlandreisen 1899 und 1900 – unter anderem nach Moskau und St. Petersburg – führten ihn in Kontakt mit der orthodoxen Frömmigkeit, der Weite des Landes und russischen Intellektuellen wie Lew Tolstoi und, zufällig, dem jungen Boris Pasternak. Auch seine Orientreise 1911 nach Tunesien, Ägypten und Spanien erweiterte seinen Blick auf Religion und Weltbilder, insbesondere auf den Islam.

Im Ersten Weltkrieg wurde Rilke 1916 zum Militär eingezogen, aber dank einflussreicher Fürsprecher bald in ein Kriegsarchiv versetzt und schließlich entlassen. Die militärische Erfahrung wirkte wie eine Wiederholung der belastenden Kadettenzeit und führte zu einer längeren kreativen Krise.

1919 zog Rilke in die Schweiz, um den Nachkriegswirren zu entkommen und seine Arbeit an den Duineser Elegien fortzusetzen. Mit Unterstützung von Mäzeninnen und Mäzenen fand er schließlich im „Château de Muzot“ im Wallis einen festen Wohnort. Dort gelang ihm 1922 die Vollendung zweier Hauptwerke: der Duineser Elegien und der Sonette an Orpheus.

Rilke starb am 29. Dezember 1926 im Alter von 51 Jahren in einem Sanatorium bei Montreux an einer Form von Leukämie. Beigesetzt wurde er in Raron im Wallis. Auf seinem Grabstein steht ein von ihm selbst verfasstes kurzes Gedicht, das seine Haltung zum Tod verdichtet.

Weltbild und Themen

Rilke war tief von Philosophen wie Arthur Schopenhauer und vor allem Friedrich Nietzsche beeinflusst. Er kritisierte sowohl eine jenseitsfixierte christliche Religiosität als auch eine rein rationalistische, naturwissenschaftlich verkürzte Weltsicht. Stattdessen suchte er nach einer „Verwandlung“ der Wirklichkeit im Inneren des Menschen.

Typisch für Rilke ist die Verbindung von Außen- und Innenwelt: Gegenstände, Natur und Alltagsszenen werden in seinen Gedichten zu „Dingen“, an denen sich innere Erfahrungen spiegeln. Berühmt sind seine „Dinggedichte“ wie Der Panther oder Archaischer Torso Apollos, in denen Wahrnehmen, Denken und Fühlen verschmelzen. Das Leben in all seinen Facetten – Angst, Liebe, Krankheit, Tod, Verlust – sollte nicht verdrängt, sondern bewusst durchlebt und poetisch gestaltet werden.

Sein Werk zeigt zugleich Spannungen und Brüche. In Briefen aus dem Jahr 1926 äußerte Rilke sich zustimmend zu Mussolinis faschistischem Regime in Italien und sah in ihm eine Kraft der „Erneuerung“. Diese problematischen politischen Äußerungen stehen in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu humanistischen Deutungen seines Werks und sind Teil einer kritischen Gesamtbetrachtung.

Lyrik, Prosa und Briefe

Zu Rilkes frühen Gedichtbänden zählen Wegwarten, Traumgekrönt und Advent. Mit Mir zur Feier (Ende der 1890er Jahre) wendet er sich stärker der Innenwelt des Menschen zu. Einen frühen Höhepunkt markiert das Stunden-Buch (entstanden 1899–1903, erschienen 1905): ein Zyklus von Gedichten, der in der Sprache mittelalterlicher Gebetbücher ein pantheistisches Gottesbild entwickelt.

Mit Das Buch der Bilder (1902, erweitert 1906) und den Neuen Gedichten (1907/1908) findet Rilke zu seiner reifen Lyrik, in der Beobachtung, Symbolik und Reflexion eng verbunden sind. In der mittleren Schaffensperiode entstehen auch die Prosadichtung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke und der Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, der frühe Formen moderner Erzählweise aufgreift.

Im Spätwerk stehen die Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus im Zentrum. Hier gestaltet Rilke eine umfassende Poetik des Daseins, in der Leben und Tod, Verlust und Verwandlung, Kunst und Erinnerung miteinander verschränkt werden. Hinzu kommen zahlreiche Briefe, die nicht nur persönliche, sondern auch poetologische und pädagogische Bedeutung haben – etwa die Briefe an einen jungen Dichter.

Rilke schrieb zudem ein umfangreiches Werk auf Französisch und übersetzte unter anderem Gedichte von Paul Verlaine, Paul Valéry und anderen französischen Autorinnen und Autoren ins Deutsche. Damit trug er zum kulturellen Austausch zwischen Deutschland, Österreich und Frankreich bei.

Nachlass, Erinnerung und heutige Bedeutung

Ein großer Teil von Rilkes Nachlass wurde lange von seiner Familie verwaltet und nach und nach in literarische Archive überführt. Bedeutende Bestände befinden sich heute im Deutschen Literaturarchiv Marbach, im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern, in der Fondation Rilke in Siders sowie an der Harvard University. Der Ankauf des Gernsbacher Rilke-Archivs durch das Deutsche Literaturarchiv wurde als wichtiger kulturpolitischer Schritt gewürdigt.

Rilkes Werk ist seit 1997 gemeinfrei (70 Jahre nach seinem Tod), was die weite Verbreitung seiner Texte erleichtert hat – in Schulen, auf Gedenktafeln, in Anthologien, im Internet und in zahlreichen Neuausgaben. Viele Straßen, Schulen und kulturelle Einrichtungen tragen seinen Namen; Ausstellungen und Rilke-Gesellschaften sorgen für eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk.

Aus Sicht der sozialdemokratischen Bildungsarbeit kann Rilke als durchaus interessant angesehen werden, da sich an seinem Beispiel zentrale Fragen der Moderne zeigen lassen: der Umgang mit biografischen Brüchen, mit Kriegserfahrungen, mit Religion und Sinnsuche, mit Kunst als Form der Selbst- und Weltverarbeitung – und auch die Ambivalenz eines großen Künstlers im Angesicht politischer Entwicklungen.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Maria_Rilke

Titelbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Maria_Rilke#/media/Datei:Rainer_Maria_Rilke_1900.jpg, Lizenz gemeinfrei

Hinterlasse einen Kommentar