20. November 2025: 80 Jahre Nürnberger Prozesse: Der Beginn des modernen Völkerrechts

Vor 80 Jahren, am 20. November 1945, begann im Nürnberger Justizpalast eines der bedeutendsten Gerichtsverfahren der Weltgeschichte. Der Hauptkriegsverbrecherprozess gegen führende Repräsentanten des nationalsozialistischen Regimes markierte den Beginn einer neuen Ära internationaler Rechtsprechung und gilt als Meilenstein des modernen Völkerstrafrechts. Der Wiener Völkerrechtler Stephan Wittich beschreibt Nürnberg als „Urknall“, von dem sich das gesamte „Universum der Strafgerichtsbarkeit“ weiterentwickelte. Erstmals in der Geschichte wurden Einzelpersonen für Taten angeklagt, die gegen internationales Recht verstießen, und dies vor einem eigens dafür eingerichteten internationalen Gerichtshof. Dieser Schritt bedeutete einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel, da schwerste Verbrechen nicht mehr nur als Angelegenheiten zwischen Staaten betrachtet wurden, sondern als universelle Rechtsverletzungen mit weltweiter Bedeutung.

Obwohl der Prozess von manchen als „Siegerjustiz“ kritisiert wurde, schmälert das laut Wittich keineswegs seine historische Notwendigkeit und Bedeutung. Die Verantwortung, Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit juristisch aufzuarbeiten, habe weit über die Machtverhältnisse des Jahres 1945 hinausgewirkt. Eindrucksvoll zeigte dies die Eröffnungsrede des US-Chefanklägers Robert Jackson, der betonte, dass die Richter selbst eines Tages nach denselben Maßstäben von der Geschichte beurteilt würden, die sie an die Angeklagten anlegten. Diese Worte setzten einen moralischen Maßstab, der dem gesamten Verfahren seinen prägenden Charakter verlieh.

Der Prozess, der am 1. Oktober 1946 endete und in zwölf Todesurteile mündete, ist untrennbar mit der Stadt Nürnberg verbunden – jenem Ort, den Hitler für seine Reichsparteitage gewählt hatte und in dem der verurteilte Julius Streicher einst sein antisemitisches Hetzblatt „Der Stürmer“ verbreitete. Seine Bedeutung reichte jedoch weit über die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen hinaus. Die im selben Jahr gegründete UNO erkannte das Potenzial des Verfahrens und beauftragte die Völkerrechtskommission damit, die wesentlichen Rechtsgrundsätze der Nürnberger Prozesse zu kodifizieren. 1950 wurden sie als die sieben „Nürnberger Prinzipien“ bestätigt, welche bis heute als Fundament des internationalen Strafrechts gelten. Acht Jahrzehnte nach dem Prozessbeginn bleibt das Vermächtnis Nürnbergs ein entscheidender Bezugspunkt für die Frage, wie die Weltgemeinschaft schwerste Verbrechen verfolgt und wie internationales Recht die Würde des Menschen schützt.

Foto: Von AndreasThum – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16923602

Hinterlasse einen Kommentar