26. Juni 2025: Auf den Spuren einer Revolutionären Sozialistin: Eine „forschende Séance“ mit Hilde Krones.

Hilde Krones, geboren 1910, wurde als Jugendliche durch das Rote Wien der Jahre 1919-1934 geprägt. Ab 1934 war sie als Revolutionäre Sozialistin im Widerstand gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus aktiv. Krones war Teil jener Generation, die Otto Bauer, der theoretische Kopf der österreichischen Sozialdemokratie, als „Generation der Vollendung“ bezeichnet hatte, als jene Gruppe junger Parteiangehöriger, die zu ihren Lebzeiten das Ende des Kapitalismus erleben würde. Dieses Versprechen versuchte sie gemeinsam mit ihrem FreundInnenkreis über die Jahre des Faschismus zu bewahren. Nach Kriegsende 1945 wird sie Nationalratsabgeordnete und Mitglied des SPÖ-Parteivorstands. Doch die Hoffnung auf politische und private „Vollendung“ erfüllt sich nicht. Drei Jahre nach der Befreiung vom NS-Regime, im Alter von 38 Jahren, setzt sie ihrem Leben ein Ende. Zu belastend waren die prekären (geschlechter-)politischen Rahmenbedingungen von Wiederaufbau und Kaltem Krieg.

Erstmals liegt nun eine ausführliche Biografie dieser vergessenen Frau vor. Auf Basis des im Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung bewahrten Nachlasses von Hilde Krones, erzählt der Autor sie – als Politologe und Historiker – als spezifische „Biografie in politischen Begriffen und Gefühlen“, die der Frage nachgeht, wie wir heute mit den spukenden Hoffnungen und der verlorenen Zukunft emanzipativer Politik umgehen, die unter den Trümmern der Geschichte des 20. Jahrhunderts begraben liegen. Er nennt das eine „forschende Séance“ und diskutiert, welche Relevanz die Materialien aus einem solchen Nachlass für gegenwärtige politiktheoretische Debatten haben.

Unter anderem anhand hunderter Feldpostbriefe von Hilde Krones an ihren Ehemann Franz aus den Jahren 1942-1944, rekonstruiert das Buch aber auch bisher nicht bekannte Fragmente einer österreichischen Widerstandsgeschichte. Hilde Krones beteiligte sich an der weitverzweigten Widerstandsgruppe der „Anti-Hitler-Bewegung“, die u.a. die Flugschrift Die Wahrheit herausgab und Kontakte zum konservativen Widerstand, ausländischen ZwangsarbeiterInnen, slowenischen PartisanInnen und – durch Wehrmachtssoldaten in Russland – zur Roten Armee knüpfte. Krones unterstützte verhaftete GenossInnen, u.a. den 1944 hingerichteten Revolutionären Sozialisten Otto Haas, und übernahm als Angestellte der Wiener Zweigstelle von Bayer I.G. Farben Kurierdienste und Medikamentenlieferungen für PartisanInnen in Slowenien.

Auch wer sich für die Geschichte des Bunds Sozialistischer Freiheitskämpfer interessiert, wird in dem Buch fündig: Hilde Krones war ab 1945 eine Proponentin des linken Parteiflügels der SPÖ. Sie begann im Sommer desselben Jahres eine politische und private Partnerschaft mit Parteisekretär Erwin Scharf. Dieser war 1947 Gründer der Freiheitskämpfer (1949 erfolgte der Zusammenschluss mit dem Opferreferat der SPÖ und die Gründung des Bundes Sozialistischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus, Anm.), sein Ausschluss aus der Partei 1948 stand nicht zuletzt mit der vom Parteivorstand nicht genehmigten Herausgabe der Zeitschrift der kämpfer in Zusammenhang. Auch Hilde Krones war frühe Autorin des kämpfer und schrieb hier die Kolumne „Hinter der Pallas Athene“, in der sie über ihre Arbeit als Parlamentarierin berichtete.

Georg Spitaler: Hilde Krones und die Generation der Vollendung, Mandelbaum, Wien, 2024, ISBN 978-3-99136-065-0, 407 Seiten, € 30,00

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Der Dank für den Text und die Bilder geht an den Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen,
Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen. Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden sich hier: http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2024/12/Kaempfer-10-11-12-2024.pdf

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