Am 5. November fand im neuen Informationszentrum der KZ-Gedenkstätte Gusen die Präsentation des Buches Konzentrationslager Gusen 1939–1945 – Eine Dokumentation statt. Die Veranstaltung zog knapp 100 BesucherInnen an, darunter viele BewohnerInnen von Gusen, Langenstein und St. Georgen.
Das großformatige, reich bebilderte Buch erinnert an einen Ausstellungskatalog. Herausgegeben von vier MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bietet es eine umfangreiche Quellenedition, die erstmals die Geschichte der drei Lager Gusen in dieser Tiefe dokumentiert. Gusen war von 1939 bis 1945 ein Ort des Terrorregimes der Nationalsozialisten und bald das größte Konzentrationslager auf österreichischem Boden, das jedoch lange Zeit im Schatten des „Stammlagers“ stand und sowohl in der Forschung wie auch in der öffentlichen Erinnerung weitgehend unsichtbar war. Erst Anfang der 2000er-Jahre, mit der Ausstellung „Konzentrationslager Gusen 1939–1945. Spuren – Fragmente – Rekonstruktionen“, wurde das Lager erstmals in seiner historischen Bedeutung breiter thematisiert.
Insbesondere von 1940-1942 kam dem KZ Gusen innerhalb des Mauthausen-Lagersystem die Rolle eines Vernichtungsortes zu. Überlebende bezeichneten es als „Die Hölle aller Höllen.“ War es in diesen Jahren die Arbeit in den Granitsteinbrüchen, so waren es ab Jahresbeginn 1944 die in den Berg getriebenen Stollen (8 km Länge, 50.000m² Nutzfläche, Deckname „Bergkristall“), die die Todeszahlen in die Höhe trieb. Der höchste Häftlingsbestand wurde am 28.2.1945 mit 26.000 Menschen verzeichnet, am 5. Mai 1945 wurden 21.000 Menschen von der US Army befreit. Von insgesamt 72.000 Häftlingen waren die meisten Polen (24.000), sowjetische Zivilgefangene und Kriegsgefangene (14.000 bzw. 4.200) sowie aus dem Deutschen Reich (5.600, drei Viertel aus dem „Altreich“, ein Viertel Österreicher). Von 4.700 (republikanischen) Spaniern wurden mehr als 4.000 getötet. In Summe wurde etwa die Hälfte aller Häftlinge getötet! Diese schrecklichen Zahlen belegen eindrücklich, warum die Gedenkstätte Gusen gerade für die Republik Polen und die spanischen AntifaschistInnen so einen hohen Stellenwert hat. Nach der Befreiung wurden die Steinbrüche als USIA-Betriebe weitergeführt (sowj. Eigentum, Anm.), der Großteil der ehemaligen Lagerflächen parzelliert, als Baugrund verkauft und bebaut. Als einziges erkennbares Relikt war der ehemalige Krematoriumsofen erhalten geblieben, der für Überlebende und Angehörige zur inoffiziellen Gedenkstätte gemacht wurde. Inzwischen wurde mit Anrainern, WissenschaftlerInnen und Opferverbänden ein Masterplan zur Erweiterung der Gedenkstätte erstellt.
Das sehr wertvolle Buch stellt den Letztstand der Forschung dar und korrigiert manche bisher in der Öffentlichkeit präsente Zahlen. Eine unbedingte Leseempfehlung!
Gerald Netzl
Christian Dürr, Gregor Holzinger, Stephanie Kaiser, Ralf Lechner: Konzentrationslager Gusen 1939 -1945. Eine Dokumentation, new academic press, Wien 2024, ISBN: 978-3-7003-2325-9, 280 Seiten, € 32,50
Illustrationen: Cover_KZ Gusen.jpg
Gusen_01.jpg Credit: Gerald Netzl
Text: Die Gedenkstätte Gusen wird ausgebaut.
Der Dank für den Text und die Bilder geht an den Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen,
Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen. Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden sich hier: http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2024/12/Kaempfer-10-11-12-2024.pdf