Im Wiener Landesgericht für Strafsachen ist am 25. Juni eine neue Dauerausstellung in der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz eröffnet worden. Die Schau thematisiert den Widerstand in seiner ganzen Bandbreite, die Unrechtsjustiz sowie die Nachkriegszeit.
Unter dem Titel „Man kann sie direkt sterben hören“ wird an die 1.219 Frauen und Männer, die während der NS-Zeit im Hinrichtungsraum mit einer Guillotine enthauptet wurden, erinnert. Die Nationalsozialisten hatten 1938 die Umwandlung eines Lagerraums im Straflandesgericht in eine Hinrichtungsstätte samt Fallbeil veranlasst.
Hinrichtungsraum seit 1967 Gedenkraum
Dieser ehemalige Hinrichtungsraum ist seit 1967 ein Gedenkraum (früher „Weiheraum“ genannt), der Raum blieb auf Drängen der Opferverbände auch 2024 unverändert. Im Vorraum, wo einst an Hinrichtungstagen eine Gerichtskommission den Verurteilten die Todesurteile verlas, findet sich die neue Dauerausstellung, die mit der Unterstützung des Justizministeriums vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) und dem Verein Justizgeschichte und Rechtsstaat kuratiert wurde. „Gerade in einer Zeit, in der die rechten Ränder wieder erstarken, ist es wichtig, an die Grauen der NS-Zeit zu erinnern“, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bei der Eröffnung, an der auch der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, viele Juristinnen und Juristen und VertreterInnen der Opferverbände teilnahmen.
Frei zugänglich
„Es ist unsere historische Pflicht, die Grundprinzipien der Demokratie, der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und konsequent einzumahnen“, so Zadić. „Das Privileg, in einem Rechtsstaat zu leben, wird durch Ausstellungen wie diese emotional greifbar“, strich Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien, den Wert der Schau hervor. Diese ist nach erfolgtem Sicherheitscheck beim Einlass zum Gerichtsgebäude (Landesgerichtsstraße 11) frei zugänglich.
„Justiz und Gestapo kommunizierende Gefäße“
Der Name der Ausstellung – „Man kann sie direkt sterben hören“ – greift auf überlieferte Worte zurück. Sie kommentierten den Fall des Stahlbeils, der das Gerichtsgebäude erschütterte und selbst im benachbarten Gefangenenhaus noch hörbar war. Die Hinrichtungen selbst dauerten meist nur wenige Sekunden, erläuterte DÖW-Leiter Andreas Kranebitter. Dabei sei die Strafrechtsjustiz ein „zentraler Bestandteil des NS-Terrors“ gewesen. „Justiz und Gestapo waren kommunizierende Gefäße, sie waren arbeitsteilige Mörder“, so Kranebitter. Hinter den vollstreckten Todesurteilen standen Delikte wie Diebstahl, Mord, „Unzucht wider die Natur“, Verstöße gegen die „Volksschädlingsverordnung“, Desertion und Hochverrat.
Einzelschicksale beispielhaft herausgegriffen
Faire Verfahren gab es nicht. Viele wurden wegen ihrer illegalen politischen Tätigkeit, ihres Glaubens oder ihrer sexuellen Orientierung kriminalisiert. 640 der 1.219 Hingerichteten sind dem politischen Widerstand zuzuordnen. Ihre Namen sind auf Zeittafeln grafisch hervorgehoben. Im ersten Quartal 1943 wurden mit über 150 Hinrichtungen die meisten Todesurteile vollstreckt. Dem Widerstand in seinen vielen Formen – sozialistisch, kommunistisch, christlich oder slowenischer Widerstand in Kärnten – sind viele Erklärtafeln gewidmet. Dabei werden auch mehrere Einzelschicksale beispielhaft herausgegriffen.
wien.ORF.at / Gerald Netzl
Foto: Landesgericht Wien_Gedenkstätte neu.jpg Credit: Gerald Netzl
Fototext: Eine der zahlreichen informativen Erklärtafeln der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz im Landesgericht Wien.
Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer 7_8_9_2024“
Hier geht es zur gesamten Ausgabe: http://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2024/09/Freiheitskaempfer-7-8-9-2024_Web.pdf
Text: von Dr. Gerald Netzl