31. März 2024: Die Österreichische Exilbibliothek stellt sich vor

Die Arbeit gegen das Vergessen und das Verdrängen ist seit 30 Jahren unverzichtbare zentrale Aufgabe der Österreichischen Exilbibliothek. Die im Literaturhaus Wien beheimatete Einrichtung ist Archiv, Bibliothek, Veranstalterin und Vermittlerin.

Gründung

1992 konzipierten die Germanistin Ursula Seeber, seit 1984 Mitarbeiterin der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (DST), und die Fotografin Alisa Douer die Ausstellung „Die Zeit gibt die Bilder. Schriftsteller, die Österreich zur Heimat hatten.“ Diese Schau war die erste umfassende Porträt-Ausstellung zu diesem Thema in Österreich und präsentierte großformatige Fotos von SchriftstellerInnen aus aller Welt, darunter sehr bekannte, aber auch viele in Vergessenheit geratene. In der Eröffnungsrede regte der Germanist Klaus Amann an, im Literaturhaus Wien eine „Bibliothek des österreichischen Exils“ aufzubauen, wie sie mit dem Deutschen Exilarchiv an der Deutschen Nationalbibliothek schon seit Jahrzehnten bestand. Er wurde daraufhin vom damaligen Bundesminister für Unterricht und Kunst Rudolf Scholten, der die Ausstellung eröffnete, beauftragt, ein Konzept für eine solche Einrichtung zu erstellen. Bereits ein halbes Jahr später wurde die Österreichische Exilbibliothek als Abteilung innerhalb der DST gegründet, um Leben und Arbeit österreichischer Kulturschaffender in Exil und Emigration seit 1933/38 zu dokumentieren.

Archiv und Vermittlerin

In den vergangenen 30 Jahren entwickelte sich die ÖEB zur größten Spezialbibliothek zum künstlerischen Exil in Österreich – mit über 9.000 Bänden Fachliteratur (darunter seltene Erstausgaben und Exilzeitschriften), einer mehr als 7.000 Personen umfassenden bio-bibliografischen Datenbank sowie einer umfangreichen Foto-, Audio- und Videosammlung.

Die ÖEB beherbergt nicht nur klassisches Archivgut – Manuskripte, Lebensdokumente und Briefe – zu über 150 Personen, sondern auch Dinge wie Gemälde, Hüte und Spielzeug. Mit diesen Objekten werden zugleich auch Lebensgeschichten bewahrt – von Menschen unterschiedlichster Professionen, die in verschiedene Länder flohen, darunter England, USA, Palästina, Mexiko, Bolivien, China, Marokko, Schweden und Indien.

Neben den Aufgaben des Sammelns und Dokumentierens erfüllt die ÖEB auch die Rolle einer sehr aktiven Vermittlerin: sei es für Studierende, ForscherInnen, JournalistInnen oder andere Interessierte. Zu den vielfältigen Angeboten gehören Veranstaltungen, Ausstellungen, Publikationen oder Workshops und Führungen für SchülerInnen und Studierende.

Die Begegnung mit den Menschen, die ins Exil getrieben wurden, und mit deren Familien und Nachkommen war von Anfang an eine zentrale Aufgabe der ÖEB. Für sie ist die ÖEB auch eine Anlaufstelle, was im Kontext von NS-Verfolgung und Vertreibung nicht nur praktische Hilfestellung bei Amtswegen und lokalen Recherchen bedeutet, sondern auch vertrauensvolle Anteilnahme an den Schicksalen der Vertriebenen. Das erfordert einen respektvollen Umgang mit den Brüchen, Verletzungen und Zumutungen eines Lebens im Exil und ein Wissen um die Schwierigkeit, die der Kontakt mit den Menschen und Institutionen jenes Landes mit sich bringt, aus dem sie einst vertrieben wurden.

Jubiläumsausstellung

Anlässlich des 30jährigen Jubiläums ist noch bis 1. Februar 2024 die Ausstellung „Die Erinnerung wohnt in allen Dingen“ im Literaturhaus Wien zu sehen. Im Sinne eines lebendigen Erinnerns hat die ÖEB 30 Personen aus ihrem Umfeld – ExilantInnen, Nachkommen, SchriftstellerInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen – in ihr Archiv eingeladen, ein „Ding“ auszuwählen, das zu ihnen spricht und einen Beitrag dazu zu gestalten. Die Bandbreite der ausgewählten Objekte reicht von Manuskripten, Briefen, Alben, Schallplatten und Zeichnungen bis zu einem roten Damenhut, einer silbernen Blume oder einer Schreibmaschine mit dem eingespannten Blatt eines unvollendet gebliebenen Textes. Die 30 entstandenen Beiträge – darunter wissenschaftliche aber auch literarische Texte, Zeichnungen und Videos, sogar ein Lied und ein Graffiti – zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der Geschichten, die in der Österreichischen Exilbibliothek bewahrt werden und die darauf warten, erzählt und weitererzählt zu werden – denn es wohnen noch viele Erinnerungen in den Dingen.

Die Österreichische Exilbibliothek in der Seidengasse 13 ist allen Interessierten von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 9 bis 17 Uhr frei zugänglich. Für die Benutzung der Archivbestände bitten wir um Voranmeldung unter exilbibliothek@literaturhaus.at

Veronika Zwerger

Foto: Zwerger_Exilbibliothek.jpg Credits: Literaturhaus Wien

Fototext: Am Cover des Katalogs: Intervention von Ann Cotten, Mario Schlager & Nele Hazod an der Fassade von 7, Hermanngasse 17 als Beitrag zur Jubiläumsausstellung

Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer
10-11-12/2023“ 

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