27. März 2024: Bernd Dobesberger: Weltunsicherheit und die Suche nach Frieden: Ein Blick auf die aktuellen globalen Konflikte. Vom Ende des Kalten Krieges bis zu aktuellen militärischen Konflikten – Herausforderungen und Perspektiven für eine friedlichere Welt.

Weltunsicherheit

Etwa ein Vierteljahrhundert gab es die Hoffnung, dass es keine großen kriegerischen Konflikte mehr geben würde. Heute wissen wir, dass das eine Illusion war. Zumindest zwei Fragen drängen sich auf: Warum kam es zu der Fehleinschätzung? Und was tun?

Weltwunschordnung

In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg bestimmte der Ost-West-Konflikt die globale Sicherheitsordnung. Atomare Waffenarsenale auf beiden Seiten bedrohten die Weltbevölkerung. Die potenziellen Gefahren eines kriegerischen Konflikts zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion (bzw. den jeweiligen Militärbündnissen) bestimmten die globale Sicherheitspolitik.

Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch des „sozialistischen“ Staatensystems und der Auflösung der Sowjetunion vor mehr als 30 Jahren endete die Phase der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Im Westen sah man das eigene System als Sieger. Der us-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama sprach 1992 gar vom „Ende der Geschichte“. Demokratie und Markwirtschaft hätten sich allen anderen politischen bzw. ökonomischen Systemen als überlegen gezeigt und würden sich Zug um Zug auf der ganzen Welt durchsetzen.

Der damalige amerikanische Präsident George Bush (Senior) rief 1990 die „neue Weltordnung“ aus. Internationale Organisationen, insbesondere die UNO, sollten kollektive Sicherheit schaffen und vor allem Europa sollte neu organisiert werden. Zehn Jahre später, unter dem Präsidenten George W. Bush, wurde nicht mehr auf die Vereinten Nationen gesetzt, sondern militärisch – unter der unumstrittenen Führung der USA – wurde Ordnung im Sinn der USA durchgesetzt, beispielsweise im Irak oder in Afghanistan.

Die Idee, dass es rund um den Globus bald nur noch demokratische und marktwirtschaftliche Staaten gibt, hat sich in den letzten Jahren als zu simples Wunschbild herausgestellt. Einerseits sind die Demokratien in vielen Ländern stark unter Druck. Und andererseits gibt es mit Russland und China zumindest zwei Großmächte, die sich diesem Gesellschaftsmodell nicht einfach unterordnen wollen. Auch andere aufstrebende Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien, die Türkei oder Südafrika anerkennen die absolute Vormachtstellung der US-Amerikaner (und auch der Europäischen Union) nicht mehr.

Die Folge ist eine Zunahme internationaler Spannungen, drohender bewaffneter Konflikte und auch von Kriegen. Das reicht von der Ukraine über den Nahen Osten bis nach Taiwan. Jeder dieser Konflikte hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Ursachen und Folgen, aber alle sind auch Ausdruck des Fehlens einer funktionierenden Weltsicherheitsarchitektur.

Krieg ohne Lösung

Keine zehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde Wladimir Putin Präsident Russlands. Seit einem Vierteljahrhundert ist er der Machthaber im (geografisch) größten Land der Erde. Zunehmend autokratisch und diktatorisch führt er das Land und entwickelte imperiale Ziele, die sich am alten Großrussland orientieren und auch mit kriegerischen Mitteln durchgesetzt werden. Die USA und die EU haben Putin zuerst als Verbündeten gesehen und dann nicht mehr wirklich ernst genommen. Der damalige US-Präsident Barack Obama hat 2014 nach der Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim Russland als „Regionalmacht“ bezeichnet, die „nicht aus Stärke, sondern aus Schwäche“ agiere.

Ende Februar 2022 marschierten russische Truppen in der Ukraine ein, offensichtlich mit dem Ziel mit einem kurzen Militärschlag ein russlandfreundliches Regime in der Ukraine zu installieren und den Osten der Ukraine Russland anzugliedern. Der Widerstandswille der ukrainischen Bevölkerung und die Unterstützung aus dem Westen – insbesondere der NATO-Länder – verhinderten dies. Zwei Jahre nach seinem Ausbruch hat sich der Krieg zu einem Stellungskampf entwickelt in dem verbissen und blutig um Städte, Dörfer und Fabriken gekämpft wird. Momentan scheint es so, als ob weder Russland seine Kriegsziele erreichen wird können, noch das ukrainische Militär die russische Armee von ihrem gesamten Staatsgebiet (inklusive der Krim) vertreiben wird können.

„Die Idee, dass es rund um den Globus bald nur noch demokratische und marktwirtschaftliche Staaten gibt, hat sich in den letzten Jahren als zu simples Wunschbild herausgestellt.“

Das gesamte Konfliktszenario, der Krieg und die massiven wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen Russland führen offenbar nicht zu erwünschten Ergebnissen. Das Problem – nicht nur bei diesem Konflikt – ist, dass offensichtlich nur in militärischen Lösungen gedacht wird. Das bedeutet entweder keine Lösung wegen des militärischen Patts oder eine weitere Eskalation des Krieges. Das wiederum bringt mehr menschliches Leid, mehr zerstörte Infrastruktur und die wachsende Gefahr für eine Ausdehnung des Krieges mit sich. Natürlich haben die Ukrainer:innen ein Recht auf die militärische Verteidigung ihres Landes, natürlich soll die Ukraine unterstützt werden und natürlich soll Russland nicht als Sieger aus dem Krieg hervorgehen. Aber offensichtlich ist die rein militärische Option ein Szenario ohne wirkliche Lösung.

Auch der Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser:innen wird sich mit militärischen Mitteln nicht lösen lassen. Die massive Reaktion Israels auf den brutalen und schockierenden Terroranschlag am 7. Oktober letzten Jahres ist nachvollziehbar. Auch das Ziel der Ausschaltung der Hamas ist verständlich. Diese islamistische Terrororganisation ist weder legitimer Repräsentant der Palästinenser:innen, noch ist sie eine Befreiungsbewegung. Aber auch wenn es Israel gelingen sollte alle Kämpfer der Hamas zu töten oder gefangen zu nehmen, ihre Kommandostruktur vollständig zu beseitigen, ihre Waffen unschädlich zu machen und ihr Tunnelsystem zu vernichten, ist damit das Problem nicht gelöst. Erst wenn es eine politische Lösung für das palästinensische Volk gibt, erst wenn es eine Zweistaatenlösung gibt, erst dann ist ein Ende des blutigen Konflikts möglich.

„Das Problem ist, dass offensichtlich nur in militärischen Lösungen gedacht wird.“

Zwei aktuelle Kriege, die offensichtlich militärisch nicht gelöst werden. Derzeit wird aber weltweit massiv aufgerüstet, um mehr Sicherheit in der wachsenden globalen Unsicherheit zu bekommen. Das wird insgesamt aber zu mehr Unsicherheit führen, denn Kriege führen eben nicht immer zu befriedigenden Lösungen. Es braucht eine Stärkung der internationalen Organisationen, insbesondere der Vereinten Nationen, es braucht eine Stärkung friedlicher Konfliktlösungen, es braucht Abrüstungsverhandlungen usw. usf.

Willy Brandt sagte es bereits vor Jahrzehnten „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“.

Bernd Dobesberger ist Landesbildungsvorsitzender der SPÖ OÖ sowie stellvertretender Vorsitzender der SPÖ Bildung.

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