Als im April 1995 das Ausgleichsverfahren über den Konsum eröffnet wird, reagiert die bürgerliche Presse des Landes mit Häme. Mit einem Schuldenberg von 26 Milliarden Schilling (knapp zwei Milliarden Euro) ist der Konsum-Ausgleich die bislang größte Pleite der Nachkriegsgeschichte. Für die österreichische Arbeiterbewegung endet eine beinahe 150-jährige Erfolgsgeschichte. Und für 17.000 MitarbeiterInnen geht eine Welt unter.
Selbsthilfe
1856 gründen Textilarbeiter im niederösterreichischen Teesdorf (Baden) den ersten österreichischen Konsumverein; 1864 folgt der „Erste Niederösterreichische Arbeiter-Consumverein“ im heutigen 15. Bezirk in Wien. Vorbild sind Selbsthilfeorganisationen der ArbeiterInnen, wie sie ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, ausgehend von England, überall in Europa entstehen. Die Idee ist so einfach wie bestechend. Durch den gemeinsamen Großeinkauf von Waren können die ArbeiterInnen ihre Lebenshaltungskosten entscheidend verbilligen.
1873 existieren in der österreichischen Reichshälfte bereits 540 Konsumvereine, die meisten allerdings mehr schlecht als recht, denn sie sind klein und finanzschwach. Der Einzelhandel übt zudem Druck auf Unternehmer und Großhändler aus, nicht an die lästige Konkurrenz zu liefern. Die Konsumgenossenschaften sind zu diesem Zeitpunkt noch kein Instrument der Sozialdemokratie. Das ändert sich erst, als die Arbeiterbildungs- und Gewerkschaftsvereine in den Konsumgenossenschaften ein Instrument zur Verbesserung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung erblicken. Besonders Victor Adler macht sich innerhalb der jungen Partei zu ihrem Fürsprecher.
Im September 1905 wird schließlich die „Großeinkaufsgesellschaft für österreichische Consumvereine“ (GöC) gegründet. Ziel ist es, die Konsumvereine, die seit dem Parteitag 1903 als „dritte Säule der Sozialdemokratie“ anerkannt sind, sowohl logistisch als auch finanziell zu unterstützen. Direktor der GöC ist der umtriebige Benno Karpeles, Funktionär des Konsumvereins „Vorwärts“, in dem eben erst eine Reihe kapitalschwacher Wiener Konsumvereine in einer Rettungsaktion zusammengeschlossen worden waren.
Arbeiterfrauen, Arbeiterinnen! Tretet ein für euer Hammerbrot!
Mit der Gründung der GöC steigen die Konsumgenossenschaften in den Großhandel und die Eigenproduktion ein. Der Konsument soll „sein eigener Kaufmann und sein eigener Fabrikant“ werden. Ein erster Schritt dazu ist die Gründung einer Brotfabrik – ist Brot doch das Hauptnahrungsmittel der Arbeiterschaft. Allerdings verhindern die „kapitalistischen Brotspekulanten“ und die Christlichsozialen die Gründung einer Fabrik in Wien, weshalb die Hammerbrotwerke 1911 in Schwechat errichtet werden. Es ist eine Anlage der Superlative – modern, hygienisch und menschenfreundlich, in deren 70 Meter langer Ofenhalle in drei Schichten täglich 50.000 Laibe Brot erzeugt werden können. Durch die langen Transportwege bleiben die Hammerbrotwerke allerdings unrentabel. Die Sanierung ist Karl Renner zu verdanken, der 1912 mit Hilfe von Gewerkschaftsgeldern den Zusammenbruch des GöC-Imperiums verhindert. Ausgerechnet der Erste Weltkrieg katapultiert die GöC und ihre Betriebe durch die massenhafte Produktion von Militär-Zwieback und andere Aufträge wieder in die schwarzen Zahlen.
Ein Wirtschaftsimperium
1920 vereinigen sich mehrere Wiener Arbeiterkonsumvereine zur „Konsumgenossenschaft Wien“ (K.G.W.), die über 167.000 Mitglieder zählt und mehr als 1.000 Personen beschäftigt. Die K.G.W. besitzt eine Reihe von Eigenbetrieben – Molkerei, Bäckerei, Weinkeller, Kaffeerösterei, ja sogar eine Schuhfabrik – weiters 163 Konsumfilialen, zwei Schanklokale sowie einen großen Wagenpark mit Pferden und Lastautos. 1930 sind von den rund 200 Lebensmittelgeschäften in den Wiener Gemeindebauten über 60 Filialen der Konsumgenossenschaft.
Alle zentralen wirtschaftlichen Funktionen der Konsumgenossenschaften sind weiterhin in der GöC gebündelt, die bald zur wichtigsten Großhandelsorganisation des Landes avanciert. 1930 befinden sich rund 20 Warenhäuser in ihrem Eigentum, darunter auch jenes der „Stafa“, der „Staatsangestellten-Fürsorgeanstalt“ auf der Mariahilfer Straße. Nach der Ausschaltung der Sozialdemokratie im Februar 1934 wird die GöC unter kommissarische Verwaltung gestellt und 1941 ins „Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront“ (GW) eingegliedert.
1945 nimmt die GöC ihre Geschäfte wieder auf. 1978 werden die Regionalgenossenschaften und mit ihr auch die GöC von der K.G.W. übernommen und zum „Konsum Österreich“ vereinigt. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in fast jedem Gemeindebau eine Konsumfiliale, zum Konzern gehören außerdem Drogerien, Bäckereien, Fleischfabriken sowie mehrere Traditionskaufhäuser. Bis der „Rote Riese“ zu Beginn der 1980-er Jahre in die roten Zahlen gerät.
Text: Werner T. Bauer und Lilli Bauer
Foto: Konsum.jpg Credit: Martin Gerlach jun. / Wien Museum Inv.-Nr. 59161/607
Fotobeschreibung: GöC-Warenhaus im Zürcher Hof in Favoriten, Laxenburger Straße 49-57 (um 1930).
Quelle: https://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2025/12/Kaempfer-10_11_12_2025.pdf