12. Juni 2025: Zum 100. Jahrestag der Eröffnung des Metzleinstaler Hofes – Ein Pionierbau des Roten Wien

Der Metzleinstaler Hof im 5. Wiener Gemeindebezirk gilt als Meilenstein des sozialen Wohnbaus der Ersten Republik. In mehreren Etappen zwischen 1916 und 1925 errichtet, markiert die Wohnhausanlage sowohl architektonisch als auch sozialpolitisch den Übergang vom privatwirtschaftlichen Mietshaus zum gemeinwirtschaftlich organisierten Gemeindebau.

Vom Mietshaus zum Gemeindebau

Die Baugeschichte begann während des Ersten Weltkriegs: Der Architekt Robert Kalesa plante den ersten Bauabschnitt ursprünglich als Mietshaus. Dieser wurde 1920 fertiggestellt und stellt mit 101 bzw. 103 Wohnungen die Keimzelle der späteren Gesamtanlage dar. Kalesas Bau blieb dem Typus der bürgerlichen Jahrhundertwende verpflichtet, verzichtete jedoch auf Gangküchen und bot stattdessen durchgängig belichtete Wohnungen sowie einen Kindergarten im Erdgeschoss.

Nach dem Krieg übernahm die sozialdemokratisch dominierte Stadtregierung Wiens die Bautätigkeit. Mit der Gründung des eigenständigen Bundeslands Wien im Jahr 1922 begann das sogenannte „Rote Wien“ ein ambitioniertes Wohnbauprogramm, das auf menschenwürdige, hygienische und leistbare Wohnungen für Arbeiter*innen abzielte.

1923 erhielt Hubert Gessner den Auftrag, die bestehende Anlage zu einem geschlossenen Hof auszubauen. Der zweite Bauabschnitt, der 1925 mit 141 weiteren Wohnungen vollendet wurde, veränderte das Gesamtbild wesentlich. Gessner legte mit seiner expressiven Formensprache – etwa den markanten Türmen, Erkern und Rücksprüngen – die gestalterische Grundlage für viele spätere „Volkswohnungspaläste“.

Die Wohnhausanlage wurde schließlich am 12. Juni 1925 feierlich eröffnet – ein bedeutender symbolischer Moment in der Geschichte des Roten Wien.

Architektur und Gestaltung

Die Anlage wurde als Randverbauung um einen rechteckigen Innenhof realisiert, wobei der Zugang zu den Stiegenhäusern bewusst vom Hof aus konzipiert wurde – ein Novum, das bald zum Standard des kommunalen Wiener Wohnbaus wurde. Gessners Fassadengestaltung verbindet expressive Gliederungen mit dekorativen Elementen wie farbigen Majolikareliefs, Rankenmotiven und Rosetten. Diese Kunstformen wurden gezielt eingesetzt, um den funktionalen Bau durch eine ästhetische Dimension zu bereichern. Während die Frontfassade zur Siebenbrunnengasse besonders kunstvoll ausgestattet ist, bleibt die Innenhofgestaltung bewusst schlicht.

In der Synthese beider Bauabschnitte wird architektonisch wie politisch ein zentrales Ziel des Roten Wien sichtbar: die Verbindung von Funktionalität, Lebensqualität und ästhetischer Aufwertung des Alltags.

Soziale Infrastruktur und Bedeutung

Neben den Wohnungen umfasste der Metzleinstaler Hof zentrale Sozialeinrichtungen wie eine Badeanstalt, eine Zentralwäscherei, eine Arbeiterbibliothek, Klubräume, einen Kindergarten und eine Lehrlingswerkstätte. Diese Infrastruktur war integraler Bestandteil des Konzepts und Ausdruck einer umfassenden kommunalen Fürsorgepolitik.

Als eine der frühesten Anlagen dieser Art steht der Metzleinstaler Hof exemplarisch für den Paradigmenwechsel hin zum sozialen Wohnbau. Er war nicht nur ein architektonisches Pilotprojekt, sondern auch ein sozialpolitisches Statement: Wohnraum sollte nicht länger eine Ware, sondern ein Recht sein.

Sanierung und heutige Nutzung

Zwischen 1993 und 1998 wurde die Wohnhausanlage umfassend saniert. Dabei wurden Fassade, Fenster und Türen erneuert, das Dach neu gedeckt sowie eine Anbindung an die Fernwärme geschaffen. Die Sanierung senkte sowohl Heizkosten als auch Umweltbelastung. Schon 1987 war mit dem Einbau von Aufzügen begonnen worden. Für die umfassende Revitalisierung erhielt der Bau 1997 den Wiener Stadterneuerungspreis.

Heute dient der begrünte Innenhof nicht nur als Erholungs- und Kommunikationsraum, sondern dokumentiert weiterhin eindrucksvoll die Wohnbaupolitik des Roten Wien. Die historische Bedeutung des Baus wurde unter anderem in Sonderausstellungen im Waschsalon Karl-Marx-Hof thematisiert.

Quellen:

https://www.dasrotewien.at/seite/metzleinstaler-hof

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Metzleinstaler_Hof

Titelbild: übernommen aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Metzleinstaler_Hof#/media/Datei:Metzleinstaler-Hof.jpg

Metzleinstaler Hof im März 2008

(c) Hjanko – Eigenes Werk

Metzleinstaler Hof in Wien Margareten   Dieses Bild zeigt das in Österreich unter der Nummer 6433 denkmalgeschützte Objekt. (CommonsdeWikidata)

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