Autor: Bernd Dobesberger, Landesbildungsvorsitzender der SPÖ Oberösterreich
Georg Knill, Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, trauerte einer blau-schwarzen Regierung nach und Elon Musk, reichster Mann der Welt und Mitarbeiter der Trump-Administration, veröffentlichte einen Wahlaufruf für die deutsche AfD. Zwei isolierte Einzelfälle? Oder steckt mehr dahinter?
Nach den gescheiterten Regierungsverhandlungen von FPÖ und ÖVP kommentierte Georg Knill dies mit einem eindeutigen „Ich bin entsetzt!“. Im Gespräch mit dem Kurier am 14. Februar bezog er sich dabei zwar in erster Linie darauf, dass Österreich nach wie vor keine stabile Regierung hatte, aber ein kritisches Wort über die Freiheitlichen war ihm nicht zu entlocken. Bei einem Medientermin am Beginn der Verhandlungen zwischen Freiheitlichen und Volkspartei sagte er: „Wir schauen auf unser Nachbarland Italien, wo es mit Meloni einen Rechtsruck gegeben hat, aber die wirtschaftliche Positionierung Italiens hat sich eigentlich durchaus deutlich verbessert.“
Elon Musk hat unmittelbar vor der deutschen Bundestagswahl auf seiner Social-Media-Plattform „X“ einen Aufruf für die rechtsextreme Alternative für Deutschland veröffentlicht.
Die Frage ist jetzt, ob die beiden Herren halt politisch verhaltensauffällig sind, zufällig politische Positionen vertreten, die in dieselbe Richtung gehen, oder ob dahinter mehr steckt und wichtige Teile des großen Kapitals eine neue Ära der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Regulierung herbeiführen wollen.
Nach dem 2. Weltkrieg waren zwei derartige Regulierungsformen in den industrialisierten kapitalistischen Ländern jeweils über Jahrzehnte dominant. Bis Mitte der 1970er Jahre lässt sich die politische Regulierung mit den Schlagworten Sozialstaat, Anerkennung der Gewerkschaften, Umverteilung und Demokratisierung beschreiben. Danach folgte die neoliberale Phase – Privatisierung, Deregulierung, Steuersenkung für die Wohlhabenden und Reichen, Abbau gewerkschaftlichen Einflusses usw. – sind dafür die inhaltlichen Eckpunkte.
Diese Dominanz – in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich umgesetzt – des Neoliberalismus dauerte bis zur großen Weltwirtschaftskrise 2008/09. Mit dieser Krise wurde offensichtlich, dass die freien Märkte weder dauernde Prosperität mit sich bringen noch, dass damit die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus auf immer überwunden wird. Und in den letzten 15 Jahren dominierte meist Krisenbewältigung und in vielerlei Hinsicht fehlte ein mehrheitsfähiges Politikkonzept. Weder kam es zu einer Rückkehr sozialstaatlicher Regulierung, noch war die demokratisch legitimierte Rückkehr zum Prinzip der freien Märkte des Neoliberalismus durchsetzbar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich das große Kapital auf die Suche nach für sie nützlichen politischen Regulierungsformen machte. Und dabei gab es durchaus Überraschungen. Bei der Abstimmung der Britinnen und Briten im Jahr 2016 ging es um den Verbleib („Remain“) in oder das Verlassen („Leave“) der Europäischen Union. Es war damals die allgemeine Meinung, dass für Englands wichtigen Bank- und Finanzsektor der Verbleib in der EU wichtig sei, der große einheitliche Markt, der freie Kapitalverkehr schien genau im Interesse der Londoner City zu sein. Öffentlich unterstützten die Banken, Versicherungen und Finanzfonds den Verbleib in der EU auch. Und die Banken, die Versicherungen und die Pensionskassen spendeten mehrheitlich für die Remain-Kampagne. Die Private-Equity-Unternehmen und die Hedge-Fonds – also das aggressivere Finanzkapital – spendete zum größten Teil für die Leave-Kampagne. Diese Unternehmen wollen keine staatlichen Regulierungen, sie wollen auch keine der Europäischen Union.
Dieses Beispiel – und es ist in der Zwischenzeit fast schon zehn Jahre alt – zeigt, dass sich zumindest Teile des großen Kapitals vom Neoliberalismus lösten und eine neue Form der politischen und wirtschaftlichen Regulierung suchten. Die angestrebte Regulierungsform zielt nicht einfach in Richtung verschärften Abbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme oder Beseitigung der gewerkschaftlichen Mitsprachemöglichkeiten. Staatliche Strukturen, Bildung, Sozialversicherungssysteme, Infrastruktur usw. sollen vom privaten Großkapital übernommen werden. Scheiterten viele Privatisierungsideen der Neoliberalen in vergangenen Jahrzehnten noch an fehlenden oder zu kleinteiligen Angeboten der Unternehmen, so wollen die globalen Digitalkonzerne für die großen Lösungen sorgen. Auch multinationale staatliche Institutionen und Verträge sollen zurückgedrängt werden, auch dies soll das Großkapital übernehmen und damit gilt die Macht des Stärkeren im Weltmaßstab.
Die Repräsentant:innen des großen Kapitals sind wenige, bei demokratischen Wahlen brauchen sie daher immer Verbündete, die für die notwendige Masse an Stimmen sorgen können. Wachsende Teile des Großkapitals greifen zur Verwirklichung ihrer politischen Ideen auf rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Parteien zurück – so ist der Wahlaufruf von Elon Musk für die AfD zu erklären. Auf der anderen Seite ist so die sehr kapitalfreundliche Wirtschaftspolitik der Rechten zu verstehen, das Bündnis mit dem Kapital soll so möglich gemacht werden. Gemeinsam ist diesen beiden Akteuren – Großkapital und rechtspopulistische Massenbewegungen – die Ablehnung einer liberalen, demokratischen Gesellschaft. Neben diesen Überschneidungen bei den Interessen gibt es auch eine Reihe von Widersprüchen. Zum Beispiel sind die Rechtspopulist:innen nationalistisch, das Großkapital denkt und handelt im Weltmaßstab. Die Rechtsradikalen vertreten einen völkischen Rassismus, das Großkapital sieht Arbeitskräfte und Konsument:innen – die Herkunft spielt dabei keine Rolle. Die Geschichte zeigt aber, dass in derartigen Konstellationen durchaus stabile Wege gefunden werden können. Die Auseinandersetzung muss nicht einfach mit einem verhaltensauffälligen Donald Trump geführt werden und mit einem durchgeknallten Elon Musk oder mit dem wachsenden neuen Rechtsradikalismus. Die Auseinandersetzung muss mit dem Bündnis aus Vertreter:innen des Großkapitals und den Massenbewegungen des Rechtsradikalismus geführt werden
Elon Musk, Trump & Co sind nur die sichtbare Spitze des Eisbergs – das Bündnis von Vertreter:innen des Großkapitals und den rechtsextremen Bewegungen sind das Grundproblem.
Titelbild: (c) SPÖ Bildung OÖ
Textquelle: https://renner-institut.spooe.at/wp-content/uploads/sites/202/2025/03/WEB_biku_01_2025_01.pdf