28. August 2024: Bruno Kreisky Forum: Anstelle einer Antrittsrede: Offene Türen und „mehr Demokratie wagen!“

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde des Bruno Kreisky Forums!
 
Als neue Generalsekretärin des Bruno Kreisky Forums für internationalen Dialog (seit 1. August 2024) möchte ich mich bei Ihnen und Euch vorstellen. Bevor ich nach dem Studium Mitte der 1990er Jahre ins Bundeskanzleramt eintrat, durfte ich in dem noch jungen Kreisky Forum mit der ersten Generalsekretärin Margit Schmidt arbeiten. Nach 25 Jahren im Außenministerium und als Diplomatin in Berlin, Ankara, Belgrad und Kairo eingesetzt, verstehe ich meine neue Aufgabe in der Armbrustergasse 15 als „Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln“.
 
Die bisherigen Erfahrungen als Diplomatin und meine Schwerpunkte u.a. in den Bereichen Migration, inter-religiöser und inter-kultureller Dialog lassen mich mit Blick auf Österreich ebenso wie auf die Weltlage feststellen: wir haben trotz aller engagierten BürgerInnen noch immer zu wenig an Dialog und eine noch immer unzureichende „Kultur des Dialogs“. Es fehlt an Orten und Formaten der Begegnung, aus denen Solidarität und nachhaltige Kooperation entstehen kann. Bruno Kreisky ist uns dabei partei- und ideologieübergreifendes Vorbild: Grenzen im Denken überspringen und pragmatisch Brücken bauen.
 
Herausforderungen gibt es genug, Problemanalysen und Lösungsvorschläge auch. „Demokratie wagen“ gilt heute immer noch und umso mehr! Aber sind wir uns der „Ressourcen von Demokratien“ bewusst? Jener menschlichen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, auch religiös-spirituellen Ressourcen, die wir abrufen, stärken und auch neu entwickeln müssen, um autoritären Anfechtungen entgegenzutreten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und einen demokratischen Rechtsstaat zu bewahren?
 
Am Konflikt im Nahen und Mittleren Osten, der historisch mit Europa, dem Westen ebenso verbunden ist, wie viele andere globale Herausforderungen und regionale Katastrophen, lässt sich unschwer erkennen, dass „Festungsdenken“ nur kurzsichtiger Populismus ist und kein Lösungsweg. Auch nicht für Klimawandel und Arbeitsmigration, Menschenrechtsverletzungen und Flucht, Gewalt und fundamentalistisch-identitäre Politikphantasien oder Terrorismus.
 
Die Grundmauern der „Kreisky Villa“ stammen wohl bereits aus dem 15. Jahrhundert und seine BewohnerInnen haben viel gesehen und durchlebt. Im Sinne des letzten Mieters und seines Namensgebers ist das Bruno Kreisky Forum ein Haus mit offenen Türen. Hier findet Begegnung, Lernen und Austausch statt, auf österreichischer wie internationaler Ebene. Es ist ein Zentrum politischer und gesellschaftlicher Mediation, eine Plattform für Diversität, ein Forum für kontroversiellen intellektuellen Diskurs und ein Labor für Lösungsvorschläge und gelungener Kooperation.
 
Bruno Kreiskys Wohnzimmer und Garten sind auch ein Salon: Politik ist Gesellschaft ist Kunst ist Kultur. Immer offen für Kontroverse und Meinungsverschiedenheiten, nie abgeschlossen, nie eine Festung.

Festung ist das Gegenteil von Freiheit. Festung ist das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit. „Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!“, singt Reinhard Mey – und so ist das mit der Demokratie und dem Wahlrecht, der Diplomatie und dem Dialog, den Ressourcen aus Bildung und Kultur – weltweit.
 
All das kann nur gelingen, wenn Sie und Ihr uns die Treue halten/ haltet: als Besucherinnen und Teilnehmer, als Ideengeber und Mitgestalterinnen – über alle Grenzen hinweg.
 
Ich freue mich auf unseren Austausch und unsere Kooperation, auf das Stück des Weges, das wir gemeinsam gehen!
 
Mit herzlichen Grüßen,
Sabine Kroissenbrunner

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