320 Jahre, 2 Republiken, 10 Kaiser – so viel hat die Wiener Zeitung überlebt. Alles. Nur nicht die türkis-grüne Bundesregierung.
Dass es nun nach unglaublichen 320 Jahren die älteste Tageszeitung der Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird, ist ein großer Verlust für die österreichische Medienlandschaft.
Letzte gedruckte Ausgabe erschienen: Die „Wiener Zeitung“ ist am Freitag ein letztes Mal als gedruckte Zeitung auf den Markt gekommen. Sie galt als die älteste noch erscheinende Zeitung der Welt. Künftig wird das republikseigene Blatt mit einer deutlich geschrumpften Redaktion als Onlinemedium geführt. Die Umstellung basiert auf einem Gesetz der Regierung, das für heftige Kritik sorgte.
Erstmals erschien die „Wiener Zeitung“ am 8. August 1703, damals noch als „Wiennerisches Diarium“. Sie war damit die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Donnerstagabend wurden in der Druckerei Herold in Wien zum letzten Mal für die „Wiener Zeitung“ die Druckmaschinen angeworfen. Anwesend waren laut APA viele Beschäftigte, darunter Thomas Seifert und Judith Belfkih, die die Redaktion zuletzt interimistisch geleitet hatten.
Gegenüber der APA sprach Seifert mit Blick auf den Entschluss der Regierung von einem „medienpolitischen Vandalenakt kulturloser Barbaren“. Er empfinde eine Mischung aus Wut, Wehmut und Trauer über das Ende von 320 Jahren Zeitungsgeschichte. Die Regierung habe es verabsäumt, einen Käufer zu finden.
Auch Ex-Chefredakteur Walter Hämmerle war anwesend. „Was für ein unglaublich sinnloses Unterfangen. Ich glaube, die Entscheider ahnen, dass es sich um eine monumentale Fehlentscheidung handelt, diese lange Tradition einfach einzustellen“, sagte er.
„116.840 Tage – 1 Zeitung“: „Die letzte Ausgabe ist von Nostalgie getragen. Wir erinnern an die lange Geschichte der Zeitung und verneigen uns vor den Leserinnen und Lesern“, so Seifert. Auf der weitgehend weißen Titelseite wird anhand mehrerer Zahlen die Geschichte der Zeitung vor Augen geführt: „116.840 Tage, 3.839 Monate, 320 Jahre, 12 Präsidenten, 10 Kaiser, 2 Republiken, 1 Zeitung“.Ö1„Diagonal“ zur „Wiener Zeitung“
Im Blattinneren finden sich etwa Interviews mit den zwei Altkanzlern Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel und auch mit Arnold Schwarzenegger. Ex-Bundespräsident Heinz Fischer erweist der „Wiener Zeitung“ seine letzte Reverenz, die Redakteurinnen und Redakteure verabschieden sich mit Kurztexten. Die Auflage wurde für die letzte Ausgabe auf 50.000 Stück weit über das Normalniveau aufgestockt. Der Umfang wurde ebenfalls erweitert.
Pflichtveröffentlichungen weggefallen: Mit der Einstellung der „Wiener Zeitung“ schrumpft die Zahl der Tageszeitungen hierzulande auf 13. Anlass für die Gesetzesänderung durch die schwarz-grüne Bundesregierung war, dass die Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ wegfallen, womit der Großteil des Umsatzes der Wiener Zeitung GmbH wegbricht.
Die Veröffentlichungen der Unternehmen erfolgen künftig digital. Pro Jahr sind 16,5 Millionen Euro aus dem Budget für die Wiener Zeitung GmbH vorgesehen. 7,5 Millionen davon sind für die Redaktion reserviert, sechs Millionen für einen „Media Hub Austria“, der eine praxisorientierte Journalismusausbildung bieten soll.
Neuer Onlineauftritt ab Samstag: Der neue Onlineauftritt der „Wiener Zeitung“ startet am Samstag. „Die neue ‚Wiener Zeitung‘ erhält die Aufgabe, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken“, hielt „Wiener Zeitung“-Geschäftsführer Martin Fleischhacker auf APA-Anfrage fest.
Punkten wolle man mit „lösungsorientiertem Journalismus und Datenjournalismus“. Auf Tagesaktualität werde bewusst verzichtet, andere Medienhäuser sehe man nicht als Konkurrenz.
Interimistisch geleitet wird der Onlineauftritt von der langjährigen „Wiener Zeitung“-Redakteurin und Produktentwicklerin Katharina Schmid und Sebastian Pumberger, der zuletzt bei „profil“ an der digitalen Umwandlung des Nachrichtenmagazins arbeitete.
Gewerkschaft empört über „personellen Kahlschlag“: Mit der Umstellung geht ein markanter Personalabbau einher. Unternehmensweit sind insgesamt 63 Vertragsauflösungen geplant, davon 35 aus der Redaktion. Die Chefredaktion geht, auch drei Belegschaftsvertreter werden freigestellt. Künftig werden ungefähr 20 Personen ständig in der Redaktion beschäftigt sein.
Die Gewerkschaft GPA zeigte sich über den „personellen Kahlschlag“ empört und kündigte an, speziell gegen die Kündigungen der Belegschaftsvertreter, die „jetzt massiv unter Druck gesetzt werden“, mit rechtlichen Mitteln vorzugehen.