1. Juli 2025: 50. Jahrestag der großen Familienrechtsreform Kreisky/Broda – 1. Juli 1975

Mit der Familienrechtsreform der 1970er-Jahre wurde eines der letzten großen patriarchalen Relikte im österreichischen Recht beseitigt: Das Ehemodell des 19. Jahrhunderts wurde durch eine gesetzlich verankerte Partnerschaft ersetzt. Die Grundlage dafür: jahrzehntelanger Einsatz von Sozialdemokratinnen, Gewerkschafterinnen und feministischen Kämpferinnen.

Ein Gesetz von 1811 – Realität bis 1975

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galten die Paragraphen 91 und 92 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches von 1811. Sie definierten den Mann als „Haupt der Familie“, gaben ihm das Recht, die Frau rechtlich zu vertreten, sie zur Gefolgschaft an seinen Wohnsitz zu verpflichten und über ihre Erwerbstätigkeit zu entscheiden. Die Frau war rechtlich wie wirtschaftlich auf ihn angewiesen und durfte keine Verträge ohne seine Zustimmung abschließen.

Sozialdemokratische Initiativen seit 1925

Schon 1925 brachten die sozialdemokratischen Abgeordneten Adelheid Popp und Gabriele Proft einen Antrag auf Gleichstellung der Geschlechter im Familienrecht ein. Doch dieser wurde im konservativ dominierten Parlament ignoriert. Auch nach 1945 scheiterten Versuche des SPÖ-Justizministers Otto Tschadek an den politischen Gegensätzen der großen Koalition und am Widerstand der katholischen Kirche.

Erst Anfang der 1970er Jahre, mit einer veränderten gesellschaftlichen Stimmung und der SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky, war der nötige politische Konsens vorhanden. Die Vorarbeiten einer Familienrechtskommission konnten nun Schritt für Schritt in Gesetzesform gegossen werden.

Meilenstein 1975: Die partnerschaftliche Ehe

Am 1. Juli 1975 beschloss der Nationalrat einstimmig das Gesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, das am 1. Jänner 1976 in Kraft trat. Damit wurde das Herzstück der Familienrechtsreform umgesetzt:

  • Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe
  • Abschaffung der rechtlichen „Leitungsgewalt“ des Mannes
  • Gemeinsame Verantwortung für Unterhalt und Wohnsitz
  • Recht auf Erwerbsarbeit für beide Partner – ohne Zustimmung des Ehemannes
  • Freie Wahl des Ehenamens – erstmals auch mit Anfügung des Geburtsnamens der Frau

Diese Reform beendete formal ein 164 Jahre altes System der rechtlichen Ungleichheit.

Reformschritte bis 1978

Die Neuordnung der Ehe war nur der Anfang. Es folgten weitere zentrale Gesetzesänderungen:

  • 1976: Unterhaltsvorschussgesetz
  • 1. Jänner 1978: Neuordnung der Kindschaftsrechte – die „väterliche Gewalt“ wurde abgeschafft, beide Eltern erhielten gleiche Rechte und Pflichten
  • Mitte 1978: Reform des ehelichen Erbrechts und Güterrechts – keine automatische Vertretung oder Vermögensverwaltung durch den Mann mehr; bei Scheidung erfolgt eine gerechte Vermögensteilung
  • 1978: Einführung der einvernehmlichen Scheidung sowie Scheidung trotz Einspruch, unter bestimmten Voraussetzungen („kleine Scheidungsreform“)

Damit war die Familienrechtsreform abgeschlossen – das bürgerlich-patriarchale Ehemodell war gesetzlich Geschichte.

Sozialdemokratische Handschrift und gewerkschaftlicher Druck

Die Reform trägt unverkennbar die Handschrift der SPÖ-Politik der 1970er Jahre. Justizminister Christian Broda setzte die Etappenstrategie seines Vorgängers Tschadek erfolgreich um. Ebenso entscheidend war der jahrzehntelange Druck durch Gewerkschafterinnen wie Maria Metzker, die 1975 zur ersten Vizepräsidentin des ÖGB gewählt wurde. Sie betonte, dass mit dem neuen Recht auch innerhalb der Gewerkschaft der Partnerschaftsgedanke gelebt werden müsse.

Bewusstseinswandel bleibt Aufgabe

Die Reform beseitigte das rechtliche Fundament des Patriarchats – nicht aber automatisch die tradierten Rollenbilder. Noch heute übernehmen Frauen den Großteil der unbezahlten Familienarbeit. Fortschritte wie Elternkarenz, das Papamonat, ganztägige Kinderbetreuung oder die Abschaffung von Frauenlohngruppen kamen erst durch weitere Kämpfe der Arbeiter*innenbewegung.

Partnerschaft als gesetzliches Prinzip – noch nicht als gelebte Realität

Die Familienrechtsreform der 1970er Jahre war ein historischer Wendepunkt. Sie stellte die Ehe auf ein modernes, partnerschaftliches Fundament und schuf erstmals echte Gleichheit vor dem Gesetz. Doch Gesetze allein ändern nicht die Gesellschaft. Dafür braucht es weiterhin politische Entschlossenheit, starke Gewerkschaften – und das Bewusstsein, dass Gleichstellung kein Zustand, sondern ein fortwährender Prozess ist.

Quellen:

https://www.oegb.at/themen/gleichstellung/geschlechtergerechtigkeit/als-die-gleichberechtigung-die-gottgewollte-ordnung-zerstoerte

https://hdgoe.at/familienrechtsreform

https://www.frauenmachengeschichte.at/familienrechtsreform-der-70er-jahre

Bauer, Ingrid: Frauen, Männer, Beziehungen … Sozialgeschichte der
Geschlechterverhältnisse in der Zweiten Republik, in: Burger, Johann/Morawek, Elisabeth (Hg.),
1945–1995. Entwicklungslinien der Zweiten Republik. Wien 1995, S. 112

Titelbild: https://www.frauenmachengeschichte.at/familienrechtsreform-der-70er-jahre

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