28. April 2025: Vor 80 Jahren: Februarkämpfer und OSS-Agent Ludwig Totzenberger (1907–1945) in Tirol

Die Geschichte des Wieners Ludwig Totzenberger bis zu seinem Einsatz für den amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) im Frühjahr 1945 lässt sich nur anhand weniger gesicherter Informationen rekonstruieren. Über seine Familie, seine Jugend und seinen beruflichen Werdegang ist nichts bekannt. Ab August 1931 lebt er im 21. Wiener Gemeindebezirk (Floridsdorf), gemeinsam mit Ehefrau Marie und drei Kindern. Die Familie übersiedelt mehrmals, bleibt aber in Floridsdorf. Dem OSS gegenüber wird er später angeben, dass er Mitglied im Republikanischen Schutzbund seines Bezirks unter dem Kommando eines Willi Statosch gewesen sei. Seine Frau und zwei Kinder sind 1941 in Niederösterreich gemeldet, möglicherweise erklärbar durch seine Einberufung zur Wehrmacht. Auch über seinen Fronteinsatz fehlen Einzelheiten, wenn man von einem längeren krankheitsbedingten Lazarettaufenthalt im Jahr 1942 absieht. Die letzte offizielle Meldung stammt vom 1. Oktober 1944. Zu diesem Zeitpunkt ist Totzenberger in einer Einheit der 334. Infanterie-Division in Norditalien stationiert.

In einem Brief vom 9. Oktober berichtet er seiner Frau, dass er sich bereits seit dem 18. September in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befinde und bei guter Gesundheit und voller Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu seiner Familie sei. Was Totzenberger verschweigt: Er ist aus der Deutschen Wehrmacht desertiert, befindet sich im Lager Aversa in Süditalien und hat sich als Freiwilliger für alliierte Operationen im Alpenraum gemeldet.

Irgendwann im Herbst beginnt seine Ausbildung zum Funker, im Februar werden nochmals Erkundigungen über ihn eingezogen, die offensichtlich positiv sind. Unter dem Decknamen „Larry Taylor“ wird er weiter eingeschult und auf den bevorstehenden Einsatz vorbereitet. Die Planungen für die „Operation Homespun“ werden konkret, als Fritz Molden im OSS-Hauptquartier in Bari auftaucht und als Partner für Totzenberger den emigrierten Tiroler Joseph Franckenstein („Joe Horneck“) vorschlägt, der über die nötigen Ortskenntnisse und auch bereits Erfahrung in einer OSS-Operation verfügt. Totzenberger (für den Einsatz in Tirol nun „Karl Novaček“) und Franckenstein verlassen Bari mit dem Auftrag, in der Umgebung von Innsbruck eine Funkstation einzurichten, die Möglichkeit von Sabotageakten auszukundschaften und die Tätigkeit einer bereits seit dem Februar 1945 in der Gegend aktiven OSS-Mission („Operation Greenup“) zu unterstützen. Die beiden Agenten überqueren in deutscher Uniform in Begleitung von Otto Molden, dem Bruder von Fritz Molden, die Brennergrenze und treffen am 15. April 1945 in Innsbruck ein. Sie werden zunächst bei einem Bauern in der Nähe der Stadt einquartiert und nehmen erste Kontakte auf.

Wenige Tage später beendet der Zugriff der Gestapo jede weitere Aktion: Die drei Greenup-Agenten und über 100 Mitglieder des lokalen Widerstands werden verhaftet, viele von ihnen schwer gefoltert. Zwar erreichen Totzenberger und Franckenstein gemeinsam mit einem Mitglied der Innsbrucker Widerstandsbewegung den vereinbarten Stützpunkt auf der Kemater Alm in den Bergen südwestlich von Innsbruck, aber ihr Aufenthalt ist längst verraten: In den Morgenstunden des 28. April dringt ein Gestapokommando in die Hütte ein und verhaftet Franckenstein und seinen Begleiter. Totzenberger bleibt zunächst unentdeckt und kann von der Köchin (der einzigen Augenzeugin der Ereignisse) gewarnt werden. Seine Flucht durch den Hinterausgang endet nach wenigen Metern. Ein erster Schuss trifft ihn in den Rücken, ein zweiter, tödlicher Kopfschuss wird aus nächster Nähe abgegeben. Wegen des starken Schneefalls verzögert sich die Bergung  seines Leichnams um Tage.

Der Krieg ist zu Ende, die Alliierten sind in Innsbruck eingezogen und am 10. Mai 1945 wird Agent „Taylor“ mit militärischen Ehren im Dorf Axams beigesetzt. Der OSS-Einsatzbericht bewahrt Ludwig Totzenberger ein ehrendes Angedenken: „Taylors Tod war ein Schock für die deutsch-österreichische Sektion. Er war ein höchst verantwortungsbewusster und vertrauenswürdiger Mann, der jederzeit seinen völligen Einsatz für die antifaschistischen Ideale der Vereinten Nationen (sic!) unter Beweis stellte.“

Text von Gisela Hormayr

Literatur: Peter Pirker, Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945, Innsbruck 2019.

Foto: Totzenberger_Ludwig.jpg Credti: Gisela Hormayr

Quelle „Der Sozialdemokratische Kämpfer 1_2_3_2025“
Hier geht es zur gesamten Ausgabehttp://www.freiheitskaempfer.at/wp-content/uploads/2025/03/Kaempfer-1_2_3_2025.pdf

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